Es umfasst eine Fläche von 3.700 m2 und liegt direkt neben dem Werksgelände der thyssenkrupp Steel Europe AG in Duisburg: Im Carbon2Chem®-Technikum wird die technische Umsetzung des im Verbundprojekt entwickelten Konzeptes zur Kreislaufführung von CO2 unter realen Bedingungen getestet. Einen virtuellen Blick hinter die Kulissen der Anlagen konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops »Every day for future« am 16. August 2023 werfen – mit Stopps in der Gasreinigung, der Analytik, der Elektrolyseanlage sowie der Methanol- und Ammoniaksynthese.
In seiner Einführung skizzierte Dr. Markus Oles nochmal die Zielsetzung des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojektes.
»Mit 22 Partnern arbeiten wir an Verfahren, um bei der Stahlproduktion entstehende und daher unvermeidbare Prozessgase als Kohlenstoffquelle für die chemische Industrie zu erschließen«, erklärte der Vertreter der Industrie in der Carbon2Chem®-Koordination. »Dadurch tragen wir zur Reduzierung sowohl der CO2-Emissionen als auch des Einsatzes fossiler Rohstoffe bei.«
Um diese Ziele zu erreichen, so Oles weiter, haben sich im Verbundprojekt Industrie, Grundlagen- und angewandte Forschung in einer wegweisenden Kooperation zusammengeschlossen, die deutschlandweit nahezu einmalig ist und vom Fraunhofer UMSICHT, vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion und von thyssenkrupp koordiniert wird.
Aus Hüttengasen werden Methanol und Ammoniak
Wie dank dieser erfolgreichen Zusammenarbeit aus Hüttengasen chemische Produkte werden, wurde bei der anschließenden – von Carbon2Chem®-Geschäftsstellenleiter Dr. Torsten Müller (Fraunhofer UMSICHT) moderierten – Reise durch die einzelnen Anlagen des Technikums deutlich. Startpunkt: die Gasreinigung. Dr. Olaf von Morstein (thyssenkrupp Uhde GmbH) sprach über die technische Herausforderung, aus den immer wieder unterschiedlich zusammengesetzten Gasen, die bei der Stahlproduktion anfallen, Verunreinigungen zu entfernen, um eine chemische Verwertung zu ermöglichen. Klarheit über die Gaszusammensetzungen vor und nach der Reinigung verschafft die von Dr. Corina Pollok (Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion) vorgestellte Analytik. Konkret erfolgt die Charakterisierung u.a. über einen Gaschromatographen und ein Massenspektrometer.
Auf Basis der gereinigten Gase werden im Rahmen von Carbon2Chem® beispielsweise Methanol und Ammoniak hergestellt. Wie diese Synthesen funktionieren, stellten Dr. Kai Girod (Fraunhofer UMSICHT) und Dr. Nicolai Daheim (thyssenkrupp Uhde GmbH) vor. Dabei gingen sie sowohl auf die jeweiligen Katalysatoren als auch die Frage der Wirtschaftlichkeit der Syntheseprozesse ein. Zwingend notwendig für die Herstellung von Methanol und Ammoniak ist übrigens Wasserstoff. Deshalb steht auf dem Technikums-Gelände auch eine Elektrolyseanlage – im Workshop präsentiert von Dr. Jens Kuhlmann (thyssenkrupp nucera AG).
Letzter Stopp der virtuellen Reise: die jüngst nach Duisburg umgezogene Demonstrationsanlage zur Methanolproduktion aus Hüttengasen. Tim Schulzke (Fraunhofer UMSICHT) erläuterte, dass die Anlage die Herstellung in einem Maßstab von 50 Liter Methanol pro Tag ermöglicht. Zudem betonte der Wissenschaftler, dass aufgrund des modularen Aufbaus der Methanolanlage der Prozess auch auf weitere CO2-emittierende Industrien übertragen werden kann – z.B. Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerke.
Transformationsprozesse machen eine weitere enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie notwendig
Nach diesen detaillierten Einblicken in die laufenden Forschungsarbeiten trat Prof. Dr. Görge Deerberg, Carbon2Chem®-Koordinator am Fraunhofer UMSICHT, gedanklich wieder einen Schritt zurück und ordnete das Gesehene in das Gesamtprojekt ein.
»In der bisherigen Laufzeit haben wir wichtige Bausteine für die Kreislaufführung von CO2 entwickelt und konnten zeigen, dass diese Bausteine im Zusammenspiel eine nachhaltige und klimaneutrale Produktion wichtiger Chemikalien auf Basis von Kohlenstoff ermöglichen«, so der Wissenschaftler.
Das passiert innerhalb einer prozessorientierten Struktur mit den vier Säulen CO2-Quellen, Behandlung bzw. Reinigung der Gase, Synthesen (nicht nur von Methanol und Ammoniak, sondern auch von höheren Alkoholen und Polymeren) sowie Anwendung (z.B. im Methanolauto).
»Eine Zusammenführung der jeweiligen Ergebnisse erfolgt über die Systemintegration«, so Deerberg weiter. »Eine Simulationsplattform erlaubt beispielsweise eine Kopplung von Prozessmodulen sowie das Hochskalieren.« Ebenfalls den vier Säulen übergeordnet ist die Kommunikation rund um das Verbundprojekt. So wird u.a. im Rahmen von Messen, Veranstaltungen oder der Ausstellung »Power2Change: Mission Energiewende« auf Carbon2Chem®-Ergebnisse hingewiesen.
Mit Blick auf die Zukunft gab Görge Deerberg sowohl Industrie als auch Forschung mit auf den Weg, sich auf dynamische Prozesse einzustellen und deshalb weiter eng zusammenzuarbeiten. »Nicht nur im Stahlwerk werden sich die Prozesse verändern. Um darauf reagieren zu können, müssen wir flexible und anpassbare Technologien entwickeln. Und dafür wiederum brauchen wir gemeinsame Orte für Forschung und Entwicklung – seien es reale Labore oder Simulationsplattformen.«
Weitere Informationen
Source
Fraunhofer UMSICHT, Pressemitteilung, 2023-08-21.
Supplier
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT)
Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion
thyssenKrupp Steel Europe
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