Schließung der weltgrößten Jute-Faseraufschlussanlage in Bangladesch

Die weltgrößte Jute-Aufschlussanlage und gleichzeitig größter Industriebetrieb Bangladeschs steht mit weit reichenden ökonomischen und sozialen Folgen vor dem Aus. Jute wurde noch vor einigen Jahren als die „Goldene Faser“ bezeichnet und in den Adamjee Jute Mills (AJM) nahe Dhaka, laut dem „Daily Star“ als „Stolz des Landes“, verarbeitet. Damals hieß Bangladesch noch Ostpakistan, und seine Juteexporte stützten die Industrialisierungsbemühungen der politischen und wirtschaftlichen Macht. 1971 wurde Bangladesch unabhängig und die AJM verstaatlicht. Seither wurde die Betrachtung unter ökonomischen Einflussgrößen außer Acht gelassen und die weltgrößte Jute-Faseraufschlussanlage, die jährlich 30.000 Tonnen Jute herstellt, wurde langsam aber sicher ein Opfer staatlicher Misswirtschaft.

Trotz Exportsubventionen über die letzten 30 Jahre von über 50 Mio. USD hat die AJM seit 1971 kumulierte Verluste von 200 Mio. USD eingefahren. Sie ist mit 125 Mio. USD verschuldet. Ende letzter Woche beschloss die Regierung deshalb, die Anlage zu schließen. Sie kommt damit auch Forderungen von Arbeitgeberverbänden, der Weltbank und dem Internationalem Währungsfonds nach, die wiederholt die Schließung verlustreicher Staatsbetriebe verlangt hatten. Kehrseite ist, dass 25.000 Angestellte ihre Arbeit verlieren. Zudem müssen sie und ihre Familien ihre armseligen Hütten rund um die Fabrik räumen, was 100.000 Menschen obdachlos macht.

Die Regierung will das Gelände neu nutzen. An Ideen stehen eine Zone für Exporteure, ein Industriepark und ein Containerhafen im Raum. Um die Not zu lindern, hat die Regierung 50 Mio. USD für einen „goldenen Handschlag“ versprochen: Arbeiter sollen als Abfindung vier Wochen Lohn und Mietzins für zwei Monate erhalten. Sie fürchten freilich mit Verweis auf die Schliessung kleinerer Anlagen in der Vergangenheit, lange oder ewig auf ihr Geld warten zu müssen. Ungewiss ist auch die Zukunft tausender Jute-Lieferanten, denen die AJM überdies 3 Mio. USD schuldet.

Missmanagement und Korruption sind zwei Punkte, warum die Anlage chronische Defizite erwirtschaftete. Zusätzlich ist sie ein Nährboden für Kriminalität und immer wieder Schauplatz von Kämpfen rivalisierender Gewerkschaften. Veraltete Maschinen und ein zu hoher und überbezahlter Personalbestand ist es, weshalb die AJM mit 45% höheren Produktionskosten arbeite, als die anderen Fabriken des Landes. Allerdings sind auch diese in Turbulenzen: Laut dem Dachverband BJMC hat der gesamte Jutesektor in den vergangenen 30 Jahren 600 Mio. USD Verlust eingefahren. Den Niedergang haben außerdem die zunehmend billigeren, synthetischen Fasern beschleunigt, die die Jute ersetzen. Indien und China konnten dadurch mit einer jüngeren, effizienteren Jute-Industrie den Konkurrenzkampf für sich entscheiden. Wie rasch die AJM als grösster Industriebetrieb Bangladeschs geschlossen wird, hängt auch von der Intensität der Proteste ab.

Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf die europäische Naturfaserindustrie haben wird, die in immer größerem Umfang die Automobilindustrie beliefert (vgl. Meldung vom 2001-11-26). Die recht starke Selbstversorgung der EU mit Flachs- und Hanffasern lässt vermuten, dass die Auswirkungen vergleichweise gering bleiben.

(Vgl. Meldungen vom 2002-04-30 und 2002-04-22.)

*Anmerkung von B. Schlattmann, (AUGUST BEYER GmbH & Co. KG, Hörstel-Bevergern):

“Die im Text als Faseraufschlussanlage bezeichnete Fabrik ist keine Faseraufschlussanlage, sondern vielmehr der größte Jute-Spinnweberei-Komplex der Welt. Die Fabrik exportiert keine Jutefasern, weshalb die Schließung der Anlage keine Auswirkungen auf die Versorgung der europäischen Automobilindustrie haben wird.”

Die Redaktion bedankt sich für diese Information.

Source

www.tagblatt.ch/ vom 2002-07-02.

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