Mit Nawaro die Landwirtschaft diversifizieren und Mehrnutzungsstrategien verfolgen

Nachwachsende Rohstoffe können zu Bioökonomie, Biodiversität, Klima-, Boden- und Gewässerschutz beitragen sowie Einkommen für den Landwirt sichern


Durchwachsene Silphie Blüte; Bild: FNR/H. Stolte

Die Produktion nachwachsender Rohstoffe bietet viele Ansatzpunkte, um die Landwirtschaft vielfältiger zu gestalten und neben der Produktion von Agrargütern wichtige umweltbezogene Ziele zu verfolgen. In einer Gesprächsrunde, die die FNR auf der 50. Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie organisierte, wurden insbesondere der Anbau von Energie- und Rohstoffpflanzen thematisiert, der zugleich die Biodiversität erhöhen kann. 

Die Idee der Integration umweltbezogener Ziele in die Landwirtschaft ist nicht neu. Das Konzept des produktionsintegrierten Naturschutzes geht in diese Richtung und auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) empfiehlt in seinem 2020 veröffentlichten Landwende-Gutachten1 eine diversifizierte und multifunktionale Landwirtschaft. „Ein integrierter Umgang mit Land, der die multiplen Ziele zusammendenkt und, wo möglich, auf ein und derselben Fläche realisiert, kann zur Überwindung der Konkurrenzen beitragen“, heißt es auf www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/landwende. Nachwachsende Rohstoffe können zur Diversifizierung der Landwirtschaft und zur Aufweitung von Fruchtfolgen beitragen und bieten viele Anknüpfungspunkte für Mehrnutzungsstrategien auf der Fläche.

Landwirte sind offen für Neues

Bei der FNR-Gesprächsrunde am 31. August benannte Professor Jens Dauber, Leiter des Thünen-Instituts für Biodiversität, drei wichtige Baustellen, um die Artenvielfalt in der Landwirtschaft zu erhöhen: kleinere Parzellen, diversere Fruchtfolgen und hochwertige Saum- und Randstrukturen. „Bei der Erweiterung von Fruchtfolgen nur mit Nahrungs- und Futterpflanzen stoßen wir aber an Grenzen. Hier sind nachwachsende Rohstoffe eine willkommene Ergänzung. Insbesondere Dauerkulturen schaffen mehr Blühangebote und Bodenruhe im Winter,“ so Dauber. Er berichtete auch aus dem laufenden Forschungsprojekt FInAL. In dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Vorhaben erproben Forscher gemeinsam mit Landwirten Maßnahmen, die insektenfreundlich und gleichzeitig praktikabel und sinnvoll für die Betriebe sind. Aufgrund der zunehmenden Wetterextreme seien die Landwirte offen dafür, Neues auszuprobieren, sagte Dauber. Einige der Partnerbetriebe im bayerischen Rottal hätten in diesem Jahr Totalausfälle im Mais durch Hagel erlebt. Als Lösungsansätze werden dort nun Dauerkulturen wie die Durchwachsene Silphie oder Ackergras als Biogassubstrate angedacht. „Unsere Daten zeigen, dass diese mehrjährigen Kulturen Nutzarthropoden (räuberische Insekten wie Laufkäfer oder Spinnen, die sich von Schädlingen ernähren) fördern, die auch in benachbarte Kulturen einwandern. Die Landwirte haben großes Interesse an dieser Form von biologischem Pflanzenschutz“, so Dauber. Dauerkulturen wie die Durchwachsene Silphie können außerdem den Humusgehalt im Boden steigern und Nährstoffeinträge ins Grundwasser mindern. Kurzfristig sind sie zwar weniger ertragreich, mittel- und langfristig könnten sie jedoch durch ihre größere Stabilität und Resilienz wirtschaftlich überlegen sein. Agrarökonomische Bilanzierungsmethoden müssten weiterentwickelt werden, um dies adäquat abzubilden, so Dauber.

Frank Wagener vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) brach bei der FNR-Gesprächsrunde eine Lanze für Agroforstsysteme, insbesondere im Kontext Gewässerschutz.  Einen Gewässerschutzstreifen lediglich zu begrünen und zu mulchen, sei viel zu kurz gedacht, meinte er. Stattdessen würden sich hier, wie auch generell auf Acker- und Grünland, Agroforstsysteme als hochdiverse Mehrnutzungssysteme anbieten. Sie können Nahrung (Obst- und Nussbäume), Energie (schnellwachsende Baumarten), Wertholz (Wertholzbaumarten als Überhälter), Erosions- und Gewässerschutz, Klimaschutz (Kohlenstoffbindung und Humusaufbau), Biodiversität und Biotopverbund (Beimischung standortgerechter Gehölze), positive Effekte für die dazwischenliegenden Kulturen und ein Einkommen für den Landwirt liefern. In Hanglagen können Agroforstsysteme auch zum Hochwasserschutz beitragen. Nicht zuletzt helfen sie potenziell, mehr Akzeptanz für staatliche Vorgaben im Gewässerschutz im Zuge der GAP oder der EG-Wasserrahmen-Richtlinie zu schaffen. Noch hakt die Umsetzung dieser Richtlinie stark, auch, weil zu wenige Landeigentümer Flächen für eine ökologische Aufwertung von Gewässern bereitstellen wollen.

Die Rahmenbedingungen für die Agroforstwirtschaft hinsichtlich Beihilfefähigkeit müssen nun in Deutschland schnell verbessert werden, forderte Wagener.

Das BMEL hat am IfaS schon ab 2007 die Entwicklung eines Mehrnutzungskonzeptes mit nachwachsenden Rohstoffen unterstützt: Der Ansatz ELKE („Entwicklung extensiver Landnutzungskonzepte für die Produktion nachwachsender Rohstoffe als mögliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen“ (www.landnutzungsstrategie.de)) wurde in zwei Projekten, die vom BMEL gefördert wurden, bis zur Praxisreife entwickelt. Mittlerweile kommt das Konzept unter anderem bei der Gestaltung von Ausgleichsmaßnahmen für den Bau der Autobahn A39 zur Anwendung – hier kompensieren Landwirte mit dem Anbau von Wildpflanzengemengen für Biogasanlagen die Eingriffe in Natur und Landschaft durch den Straßenbau.

Hintergrund 

Der WBGU benennt in seinem Ende 2020 veröffentlichten Landwende-Gutachten drei große, aktuelle Herausforderungen: die Klimakrise, die Biodiversitätskrise und die Ernährungskrise. Viele Lösungsansätze für diese Krisen sind mit der Landnutzung verknüpft und treten bereits heute in Konkurrenz zueinander. „Der WBGU bezeichnet dies als „Trilemma der Landnutzung“, weil es auf den ersten Blick scheint, als könne jeweils eine dieser Herausforderungen nur auf Kosten der anderen beiden bewältigt werden.“ Zur Lösung schlägt der WBGU fünf Mehrgewinnstrategien vor, eine davon bezieht sich auf die Diversifizierung von Landwirtschaftssystemen. Agroforstsysteme, also der streifenförmige Anbau von Gehölzen auf Acker- und Grünland, werden als ein Beispiel zur Umsetzung dieser Strategie genannt. Aber auch andere nachwachsende Rohstoffe wie Energiepflanzen, Arznei-, Faser- und Ölpflanzen zur stofflichen Nutzung oder Paludikulturen auf wiedervernässten Moorböden können zur Diversifizierung beitragen und Elemente von Mehrnutzungskonzepten aufweisen.

Eine Projektauswahl zum Thema Nachwachsende Rohstoffe und Biodiversität findet sich hier: https://pflanzen.fnr.de/service/presse/themendossier-nawaro-goes-vielfalt

Links

https://www.kcs-convention.com/

http://final-projekt.de

1 WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2020): Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. Berlin: WBGU.

Source

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), Pressemitteilung, 2021-09-29.

Supplier

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS)
Thünen-Institut
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)

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