Mikroben fabrizieren winzige Magneten

Industrielle Herstellung optimaler magnetischer Nanopartikel möglich?

Im Reich der Mikroben sind sie so etwas wie die Schwerindustriellen: Die magnetotaktischen Bakterien. Sie stellen in ihren Zellen magnetische Nanopartikel her, die sich im Zellinnern wie winzige Kompassnadeln an den Magnetfeldlinien der Erde ausrichten. Forscher des Potsdamer Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung haben nun die Magnetit-Produktion der Mikroben genauer unter die Lupe genommen. Dabei zeigte sich, wie die Einzeller die Herstellung der Mini-Magneten perfektioniert haben. Wie die Forscher im Fachblatt Journal of The Royal Society Interface (2011, Online-Vorabveröffentlichung ) berichten, synthetisieren die Bakterien völlig reinen und damit besonders magnetischen Magnetit. Gelänge es Ingenieuren, diese Leistung nachzuahmen, könnten künstliche Nanopartikel entstehen, die sich etwa für die Suche nach Tumoren eignen würden.

Bakterien bestehen aus nur einer Zelle. Um sich trotzdem in ihrem Lebensraum orientieren zu können, haben die Mikroben in der Evolution eine Reihe unterschiedliche Strategien herausgebildet. Einen echten Kompass haben dabei die Bakterien der im Wasser lebenden Gattung Magnetospirillum entwickelt: In ihrem Zellinnern besitzen sie spezielle Organellen, die Magnetosomen. Die Magnetosomen bestehen aus Magnetit-Nanoteilchen, die von einer Membran umhüllt sind. Etwa 20 dieser Teilchen reihen sich in einer Mikrobe entlang von Proteinfasern nadelförmig aneinander. Sie richten die Bakterien entlang der Feldlinien des Erdmagnetfeldes aus, die außerhalb der Äquatorregion schräg nach unten weisen. Schlägt ein magnetotaktisches Bakterium nun mit seiner Geißel, bewegt es sich entlang der Linien zielsicher zum Grund eines Gewässers, wo es für seine Ernährung ideale sauerstoffarme Bedingungen vorfindet.

Mini-Magneten sind durch Membranhülle geschützt
Materialwissenschaftler interessieren sich insbesondere für die Beschaffenheit und die Herstellung der mikrobiellen Wegweiser. Die Magnetosomen sind mit Magnetit (Fe3O4) gefüllt, einem Mineral aus Eisen und Sauerstoff. Die Potsdamer Arbeitsgruppe um Damien Faivre vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung hat nun festgestellt, dass die Bakterien besonders reinen Magnetit ohne Verunreinigungen produzieren. Damit stellen sie jede künstliche Laborherstellung des Stoffs weit in den Schatten. Der Trick: Die Mikroben schaffen schon zu Beginn der Biomineralisierung eines Nanopartikels innerhalb der Membranbläschen spezielle Bedingungen für das Kristallwachstum.

Im Vergleich zu dem neutralen pH-Wert von sieben in der Zelle, ist Magnetit in einer basischen Umgebung von pH zehn und bei einer leicht negativen Spannung von minus 0,5 Volt thermodynamisch am stabilsten. Zusätzlich schützen die Einzeller ihre Partikel offenbar vor dem Zerfall, denn Magnetit oxidiert bei Anwesenheit von Sauerstoff relativ schnell zu dem Mineral Maghemit. “Der Aufwand lohnt sich für die Bakterien” sagt Damien Faivre. Mit reinen Magnetitteilchen funktioniere die Kompassnadel besser als mit Teilchen, die auch Maghemit enthalten. Denn das magnetische Moment von Magnetit ist größer als das von Maghemit. “Daher optimieren die Einzeller die Funktion ihrer Wegweiser schon beim Kristallwachstum.”

Magnetit in Reinstform
Faivre und Kollegen räumen damit einen lange diskutierten Streitpunkt aus. Denn in Fachkreisen herrschte Unklarheit darüber, wie rein die von magnetotaktischen Bakterien produzierten Magnetit-Kristalle wirklich sind. Bisher dominierte die Annahme, dass auch die Bakterien nur eine Mischung aus beiden Mineralien erzeugen. Um die genaue Struktur regelmäßig aufgebauter Materie wie Kristalle zu untersuchen, setzten Faivre und seine Kollegen auf die Methode der Röntgenbeugung. Dazu nutzen die Forscher für ihre Untersuchungen die Röntgenstrahlung aus der Berliner Synchrotronquelle Bessy II. Faivres Team durchleuchtete Zellen der Bakterienarten Magnetospirillum gryphiswaldense und Magnetospirillum magneticum. Zudem analysierten sie auch isolierte Magnetosomen mit intakter Membran sowie Magnetitpartikel ohne Membranhülle. Dabei stellte sich heraus, dass die Partikel in intakten Zellen Eigenschaften aufweisen, die ziemlich genau dem Literaturwert für stofflich reinen Magnetit entsprechen.

Wie genau den Einzellern dieses Kunststück gelingt, ist noch unklar. “Bei der Erzeugung geeigneter Produktionsbedingungen spielen möglicherweise Protonentransportmoleküle eine Rolle, die in die Membranen eines Magnetosoms eingebettet sind”, vermutet Damien Faivre. Diese Proteine bringen möglicherweise geladene Teilchen in das Organell hinein oder aus ihm heraus, damit sich ein bestimmter pH-Wert und die notwendige elektrische Spannung einstellen.

“Nun wollen wir genau diese Mechanismen identifizieren, damit wir die Perfektion der Bakterien im Labor nachahmen können”, beschreibt Faivre sein nächstes Etappenziel. Am Ende der Forschung könnte dann die industrielle Herstellung optimaler magnetischer Nanopartikel stehen. Für den Einsatz in der Medizin müssen die Partikel allerdings unbedingt eine einheitliche Größe und Form besitzen. Auch hier hapert es in den Laboren noch, und auch hier sind die Bakterien bislang ungeschlagen: Je nach Art produzieren sie kugelförmige oder längliche Nanopartikel in erstaunlich konstanter Größe und Form. Erreichen die Forscher auch dieses Ziel, würden sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten für die künstlichen Nanopartikel ergeben. “Man könnte sie als Kontrastmittel bei der diagnostischen Magnetresonanztomografie verwenden”, nennt Faivre ein Beispiel. Nach Ansicht der Forscher eignen sich Magnetit-Partikel aber auch als Transportvehikel für Medikamente.

Source

Biotechnologie.de, 2011-02-08.

Supplier

Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung

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