Gute Perspektiven für Biogaseinspeisung

Studie: Selbstversorgung Europas mit Bio-Erdgas bis 2020 ist möglich

Das Leipziger Institut für Energetik und Umwelt (IE) kam zum Ergebnis, dass 2020 der gesamte Gasverbrauch Europas mit Biogas und Bio-SNG (Synthetic Natural Gas) gedeckt werden könne. Untersucht wurden die Potenziale in den 27 EU-Ländern sowie den Nachfolgestaaten der Sowjetunion unter der Vorgabe, dass jedes Land erst seine Nahrungsmittelproduktion sicherstellt. Grundlage für das riesige Potenzial sind große Flächen in den ehemaligen Sowjetländern, die bisher nicht landwirtschaftlich genutzt werden.

Für Deutschland prophezeit ein Gutachten bis 2030 eine eingespeiste Menge von 100 Mrd. kWh pro Jahr, was etwa zehn Prozent des heutigen Erdgasabsatzes entspricht. Exakt diesen Anteil bis 2030 bzw. sechs Prozent bis 2020 hat sich die Bundesregierung in ihrem Energie- und Klimaprogramm zum Ziel gesetzt. Neu gefasste Verordnungen sollen die Einspeisung erleichtern und ökonomisch attraktiv gestalten. Gas vom Acker erhält viel Unterstützung: Biogasstrom wird nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet, und als Kraftstoff ist Biogas steuerbegünstigt.

Gasmarkt kommt in Bewegung
Einen Beitrag zur Beschleunigung des Gaseinspeisegeschäfts liefert auch die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes von 2005. Vergleichbar dem Strom- und Telekomsektor verpflichtet das Gesetz die großen Versorger, Gashandel und Netzbetrieb zu trennen: Unbundling heißt das Schlagwort. Netzbetreiber müssen zudem sicherstellen, dass Biogas und andere Gassorten einen “diskriminierungsfreien” Zugang zum Netz bekommen, vorausgesetzt dieser Zugang ist dauerhaft mit technischen Vorschriften und Normen vereinbar.

Der liberalisierte Handel ist längst in Schwung gekommen, als Marktplatz dient das Internet: Die Netzgesellschaft RWE Transportnetz Gas etwa, 2004 vom zweitgrößten deutschen Energieversorger ausgegliedert, stellt seinen Kunden mit RWE eesy ein virtuelles Entry-Exit-System zur Verfügung. “Die Kunden können Kapazitäten buchen und dabei zum Beispiel als Entrypunkt Emden und als Exit Duisburg, wo ein Kraftwerk versorgt werden soll, festlegen”, sagt Pressesprecher Gerhard Hülsemann. Bezahlen müsse man nur für Entry und Exit, die Distanz spiele keine Rolle.

Vor diesem Hintergrund nehmen die Versorger jetzt Netzfusionen in Angriff. Die Fernleitungsnetzbetreiber BEB, Erdgas Münster Transport, EWE Netz und Exxonmobil Gastransport Deutschland wollen sich von Oktober an zusammentun: Das gemeinsame L-Gas-Marktgebiet soll ein 5.000 km langes Netz sowie drei Untergrundspeicher mit einem Gesamtvolumen von etwa 1,2 Mrd. m3 in Norddeutschland umfassen. Die Netze erstrecken sich von Emden und der niederländischen Grenze bis nach Sachsen-Anhalt. RWE und Eon Ruhrgas wollen ihre Marktgebiete für L-Gas ebenfalls zusammenführen.

Eintritt der Großen
Eon setzt wie kein anderer auf Biogas und Biomethan. Der Konzern will die gesamte Prozesskette unter die Lupe nehmen und nutzt dabei Erfahrungen seines Schwesterunternehmens in Schweden, das dort mehrere Biomethananlagen betreibt. Biogas wird dort bereits seit Jahren als Kraftstoff genutzt. Da will RWE nicht hinten anstehen: In Bergheim bei Köln plant man eine Pilotanlage.

Und während sich EnBW und Vattenfall auf dem Biogassektor noch zurückhalten, hat die Energieversorgung Weser-Ems (EWE) bereits eine Biogasaufbereitungsanlage in Werlte am Netz. Diese Anlage ist eine von fünf, die bereits Biomethan einspeisen. Neben dem Projekt in Straelen bei Aachen war die Anlage der Schmack-Biogas AG im oberbayerischen Pliening die erste Deutschlands. Mittlerweile sind Anlagen in Mühlacker (Baden Württemberg) und Könnern (Sachsen-Anhalt) dazugekommen. Schmack hat in Schwandorf bereits das nächste, mit 16 Mio. m3/a Rohbiogas noch größere Projekt in Bau.

Als Pioniere auf dem Gebiet der Biogaseinspeisung gelten die Stadtwerke Aachen. Nach dem erfolgreichen Einspeiseprojekt der Aachener in Straelen sorgte ein weiteres Vorhaben in Kerpen wegen unklarer gesetzlicher Rahmenbedingungen für Auseinandersetzungen mit den Gasnetzbetreibern und ist deshalb ins Stocken geraten. Um den speziellen Anforderungen des örtlichen Netzes an die Gasbeschaffenheit gerecht zu werden, wird in Straelen dem aufbereiteten Biogas vor der Einspeisung noch ein geringer Anteil Flüssiggas beigemischt. Das so produzierte Austauschgas entspricht exakt der Qualität und dem Brennwert des im Netz vorhandenen Erdgases. Insgesamt planen die Stadtwerke Investitionen von 50 Mio. Euro in ihr Bioerdgasprojekt.

Trittbrett der Kleinen
In Bayern setzt neben Schmack und Eon auch die in Augsburg ansässige Erdgas Schwaben auf Biogas. Das Unternehmen will künftig 20 Prozent des Erdgasabsatzes mit aufbereitetem Biomethan decken und plant zunächst zwei Anlagen in der Region um Augsburg. Wie Kommunalkundenmanager Georg Radlinger mitteilt, werden die Biogasanlagen von Landwirten betrieben, die das Rohbiogas liefern. “Wir wollen auf dem neuen Feld nicht nur Zuschauer sein”, sagt Radlinger.

Auch Ökostromanbieter Lichtblick will nicht nur zuschauen und seinen Erdgaskunden einen Anteil von mindestens fünf Prozent Biomethan anbieten. Dieses soll aus einer Anlage in Brandenburg stammen, die jedoch noch nicht fertiggestellt ist. Laut Gero Lücking von Lichtblick muss der Anteil über einen Zeitraum von drei Jahren nachgewiesen werden. “Bereits jetzt gelieferte Gasmengen werden wir später durch eine höhere Quote ausgleichen. Wir bemühen uns, so schnell wie möglich zu einer Biogaseinspeisung zu kommen und kümmern uns auch um weitere Biogasanlagen”, sagt Lücking.

Der Fachverband Biogas sorgt sich angesichts der großen neuen Player im Biogasgeschäft um die Landwirte. Die würden in der Bioenergie-Wertschöpfungskette vom Stromproduzenten zum Gas- oder gar Rohstofflieferanten zurückgedrängt. Der Fachverband will einen Gegenpol setzen und fordert fürs neue EEG eine Vergütungsklasse von Biogasanlagen bis 50 kW sowie einen Güllebonus. Man erhofft sich davon wieder mehr Wertschätzung der hofnahen, mit Gülle betriebenen Anlagen.

Die Studie des Leipziger Instituts für Energetik und Umwelt zur Europäischen Biogaseinspeisestrategie können Sie für 2,00 Euro unter www.gruene-bundestag.de bestellen oder hier (PDF-Dokument, 2,5 MB) herunterladen.

(Vgl. Meldungen vom 2008-03-19, 2008-03-12 und 2008-03-10.)

Source

Christian Dany, 2008-04-16.

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