EU-Forschungsprojekt BioReCer erreicht entscheidende Phase – Beteiligung von Stakeholdern wichtiger denn je 

Die Akzeptanz von Produkten, die auf biologischen Abfällen basieren, hängt stark von der aktiven Beteiligung und dem Feedback relevanter Interessengruppen ab. Die mit Hilfe von Stakeholdern gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Verbesserung bestehender Zertifizierungssysteme ein und stärken dadurch die Aufnahme neuer Kriterien für Nachhaltigkeit, Herkunft und Rückverfolgbarkeit von biologischen Ressourcen

Ein Schwerpunkt der europäischen Bioökonomie liegt auf der Valorisierung und nachhaltigen Nutzung biologischer Ressourcen. Angesichts des wachsenden Bewusstseins für Klimawandel und Umweltzerstörung gilt der Übergang zu einer biobasierten Wirtschaft als zentraler Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Biologische Reststoffe und Abfälle – darunter Lebensmittelabfälle, organische Siedlungsabfälle und Nebenprodukte aus Forst-, Land- und Fischereiwirtschaft – können wesentlich zum grünen Wandel in der EU beitragen und dabei erhebliche ökologische und wirtschaftliche Vorteile erzielen.

Biologische Abfälle werden oft als Belastung empfunden und verbrannt oder weggeworfen, obwohl sie das Potenzial haben, als erneuerbare Ressource fossile Rohstoffe zu ersetzen. Ihre industrielle Nutzung wird jedoch durch die unzureichende Zertifizierung biologischer Rohstoffe und ihrer Wertschöpfungsketten erschwert.

Um die Akzeptanz von Rohstoffen und Produkten aus biologischen Abfällen sowohl in der Industrie als auch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu steigern, will das EU-finanzierte Projekt BioReCer (Biological Resources Certifications Schemes) bestehende Zertifizierungssysteme stärken. Dies soll ihre Anwendbarkeit auf EU- und globaler Ebene sicherstellen.

Seit dem Projektstart im September 2022 hat BioReCer bereits wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer wettbewerbsfähigen, unabhängigen und nachhaltigen EU-Bioökonomie erreicht. Auf der Zielgeraden des Projekts werden die aktuellen Ergebnisse und Erkenntnisse von Bioökonomie-Fachleuten genutzt, um Leitlinien für bestehende Zertifizierungssysteme zu entwickeln. Die Leitlinien umfassen neue Kriterien zu Nachhaltigkeit, Herkunft und Rückverfolgbarkeit biologischer Ressourcen – vom Abfallstoff bis zum fertigen Endprodukt (z. B. Biokunststoffe, Düngemittel, Nahrungsergänzungsmittel).

Meilensteine auf dem Weg zu einer präzisen Zertifizierung

Bewertung der Rohstoffströme in vier Fallstudien

Der Übergang zu einer biobasierten Wirtschaft, die auf der nachhaltigen Nutzung erneuerbarer biologischer Rohstoffe beruht, verspricht der EU erhebliche Vorteile: Denn dieser fördert das Wirtschaftswachstum, stärkt den Umweltschutz und treibt die soziale Entwicklung voran. Die Förderung nachhaltiger Wertschöpfungsketten auf Basis biologischer Rohstoffe ist eine entscheidende Voraussetzung für Europas grünen Wandel. Um größere Mengen und unterschiedliche Arten biologischer Rohstoffe für verschiedene Branchen verfügbar zu machen, stehen die Beteiligten vor mehreren Herausforderungen. Das BioReCer Projekt hat Wertschöpfungsketten in vier vielversprechenden Sektoren analysiert: Fischerei, Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Stadtkommunen. In diesen Bereichen fallen, in etwa bei der Ernte oder in nachgelagerten Schritten, erhebliche Mengen an biogenen Abfällen, Abwässern, Rückständen und Nebenprodukten an.

BioReCer führte Materialflussanalysen (Material Flow Analyses, MFAs) durch, um den Weg dieser biologischen Rohstoffe durch die Wertschöpfungsketten nachzuverfolgen und um die Herkunft, den Handel und den Verbleib sowie das Potenzial für die Optimierung von Kreislaufprozessen für biogene Abfälle und Reststoffe zu ermitteln. Die Analyse der Fallstudien zeigt, dass in der EU große Mengen organischer Reststoffe weder gesammelt noch verwertet werden und der biobasierten Industrie somit nicht zur Verfügung stehen. Biologische Abfälle, Abwässer und Nebenprodukte werden überwiegend durch Deponierung, Kompostierung, anaerobe Vergärung oder Verbrennung entsorgt oder zur Energiegewinnung genutzt. Die MFAs zeigen, dass nur ein geringer Anteil der biologischen Reststoffe verwertet und in die biobasierte Industrie eingespeist wird, beispielsweise 3 % in der Forstwirtschaft, 2 % bei organischen Siedlungsabfällen und nur 0,3 % bei Klärschlamm. Derzeitig werden organische Reststoffe primär für biobasierte Produkte wie Agrochemikalien (einschließlich organischer Düngemittel), Biokunststoffe, Biokomposite, Kosmetika und Tenside verwendet. Die Perspektiven für die kreislauforientierte biobasierte Industrie sind jedoch vielversprechend. Es befinden sich viele Technologien in der Entwicklung, stehen kurz vor der Kommerzialisierung oder sind bereits verfügbar.

BioReCer ICT Tool (BIT) – Das digitale Rückgrat von BioReCer

Das BioReCer ICT Tool (BIT) bildet die technische Grundlage des BioReCer-Projekts. Es zielt darauf ab, die Umweltleistung, Rückverfolgbarkeit und die soziale Akzeptanz von Produkten aus biogenen Abfällen und Reststoffen zu optimieren. Diese digitale Plattform fungiert als automatisches Bewertungsinstrument, das Echtzeitdaten zur Umweltleistung biobasierter Wertschöpfungsketten erfasst und übermittelt. Hierzu gehören Informationen über Herkunft und Verwendung spezifischer Rohstoffe oder CO₂-Emissionen während des Transports. Dadurch fördert das Tool umweltbewusste Entscheidungen und nachhaltige Praktiken in der Bioökonomie. Das BIT ermöglicht Unternehmen zudem, zu überprüfen, ob sie die Mindestanforderungen für eine Nachhaltigkeitszertifizierung erfüllen, und zu identifizieren welche weitergehenden Kriterien für eine höherwertige Zertifizierung nötig sind.

Das BIT befindet sich aktuell in der finalen Entwicklungs- und Evaluierungsphase und hat erheblich vom Feedback der Testnutzergruppe profitiert. Diese setzt sich aus Rohstoffanbietern, Vertretern der biobasierten Industrie und Zertifizierungsstellen zusammen.

Standards für die EU-Bioökonomie

Das von BioReCer erstellte, benutzerfreundliche Standardisation Toolkit ist eine wertvolle Ressource für alle, die sich für den biobasierten Sektor interessieren. Durch die Einhaltung höchster Standards und die Berücksichtigung relevanter Zertifizierungssysteme können Fachleute der Bioökonomie bewährte Verfahren anwenden, um ihre biobasierten Projekte zum Erfolg zu führen. Das Toolkit bietet eine umfassende Auswahl von 149 nationalen und internationalen Standards (z.B. UNI-, EN- und ISO-Normen) und 26 Zertifizierungssystemen (einschließlich wichtiger Systeme wie ISCC). Diese decken verschiedene Aspekte des biobasierten Sektors ab. Im Fokus stehen die Kreislaufwirtschaft, Umweltmanagement, Recycling, Produktnutzung und Produktvergleich.

Wertvolle Empfehlungen für politische Entscheidungsträger

Basierend auf den Projektergebnissen, – wie den MFAs, den Fallstudien und den identifizierten Kreislaufwirtschaftsindikatoren – hat BioReCer sieben Empfehlungen entwickelt, die in einem prägnanten Policy Brief zusammengefasst wurden:

  1. Entwicklung klarer Definitionen für organische Reststoffe, die entsprechenden Nachhaltigkeitsziele für biobasierte Materialien und Produkte, sowie die potenziellen Eingangspunkte für organische Reststoffe in die verarbeitenden Wertschöpfungsketten.
  2. EU-Förderung der Verwendung organischer Reststoffe für biobasierte Produkte, insbesondere wenn Reststoffe nicht reduziert oder vermieden werden können. Hierbei ist die Einhaltung notwendiger Sicherheitsstandards zu gewährleisten.
  3. Klare Festlegung quantitativer Nachhaltigkeitsziele und Strategien für die Nutzung ökologischer Reststoffe.
  4. Klärung künftiger Anforderungen an biobasierte Produkte und der Frage, welche dieser Anforderungen durch ökologische Rückstände erfüllt werden können.
  5. Anerkennung angepasster Zertifizierungssysteme als zentrale Lösung zur Vermeidung von Greenwashing und Verbrauchertäuschung sowie zur Gewährleistung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht.
  6. Implementierung der Massenbilanzierung und freie Zurechnung (Mass Balance and Free Attribution, MBFA) in die EU-Politik zur Förderung der Kreislauf-Bioökonomie.
  7. Förderung präziser Verbraucherinformationen und Sensibilisierungsmaßnahmen zu biobasierten Produkten.

Im Sommer 2025 wird BioReCer auf Basis der dann verfügbaren Projektergebnisse einen finalen Policy Brief sowie Leitlinien für Zertifizierungssysteme veröffentlichen. Interessierte sind eingeladen, Feedback zur aktuellen Version zu geben.

Die Bedeutung von Stakeholdern für den erfolgreichen Abschluss von BioReCer

BioReCer profitiert in hohem Maße von der Expertise und dem Austausch mit Stakeholdern aus der Bioökonomie, wie z.B. von Zertifizierungsstellen, Verbraucherverbänden und politischen Entscheidungsträgern. Ihre Einsichten, Beiträge und Rückmeldungen sind entscheidend, um Herausforderungen und Anforderungen des Projekts zu identifizieren und erfolgreich zu bewältigen. Um die Zusammenarbeit und das Engagement der Beteiligten zu stärken, hat BioReCer die BioResources Stakeholders Platform (BRSP)eingerichtet. Diese Plattform ist Teil des digitalen Webportals BioReCer Innovation Ecosystem Living Labs (Brie-LL), das die im Rahmen von BioReCer entwickelten Methoden evaluiert. Hierzu gehören unter anderem die Bewertung biobasierter Wertschöpfungsketten und das BIT.

Bisher haben die BioReCer-Stakeholder ihr Fachwissen durch verschiedene Formate eingebracht, darunter Fokusgruppendiskussionen zur Identifizierung von Barrieren, die die Einführung von biologischen Rohstoffen behindern, Workshops und Schulungsmaßnahmen zur Erprobung und Bewertung des BIT, Webinare, die über verschiedene Zertifizierungen und BioReCer-Entwicklungen informieren, sowie eine Delphi-Umfrage zur Ermittlung von Anforderungen zur Verbesserung von Zertifizierungssystemen.

Das BRSP steht weiterhin allen Stakeholdern offen. Eine Teilnahme wird besonders denjenigen empfohlen, die ihre Ansichten und Meinungen in die kommenden Empfehlungen an politische Entscheidungsträger und Zertifizierungssystem-Inhaber einbringen möchten. Interessierte Parteien können sich hier registrieren: https://biorecer.eu/brsp/

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie auf der Projektwebsite: https://biorecer.eu  

Das Projektvideo gibt einen kurzen Überblick über die Ziele von BioReCer:

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BioReCer wird von der Europäischen Union finanziert. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die des Autors/der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder der European Research Executive Agency wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können für sie verantwortlich gemacht werden.

Über nova-Institut

Die nova-Institut GmbH arbeitet seit Mitte der 90er Jahre im Bereich der Nachhaltigkeit und konzentriert sich heute vorrangig auf das Thema Erneuerbare Kohlenstoffkreisläufe (Recycling, Bioökonomie und CO2-Nutzung/CCU). 

Als unabhängiges Forschungsinstitut unterstützt nova damit insbesondere Kunden der Chemie-, Kunststoff- und Werkstoffindustrie bei der Transformation von fossilem zu erneuerbarem Kohlenstoff aus Biomasse, direkter CO2-Nutzung und Recycling. 

Sowohl in der Begleitforschung von internationalen Innovationsprojekten als auch in der individuellen, wissenschaftlich fundierten Unternehmensberatung beschäftigt sich bei nova ein multidisziplinär zusammengesetztes Team aus Wissenschaftlern mit dem gesamten Themenspektrum von erneuerbaren Rohstoffen, Technologien und Märkten über Ökonomie, politische Rahmenbedingungen, Ökobilanzen und Nachhaltigkeit bis hin zur Unterstützung bei Kommunikation, Zielgruppenansprache und Strategieentwicklung. 

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Source

nova-Institut und BioReCer, Originaltext, 2025-02-20.

Supplier

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