Das Fraunhofer Spin-off Projekt EcoPals will kommunale Müllberge für nachhaltigere Straßen nutzen

Die Gründungsgeschichte des Fraunhofer-Spin-off Projekts EcoPals zeigt, dass manchmal gerade die Umwege, unvorhergesehenen Ereignisse und spontanen Gelegenheiten die besten Gründergeschichten schreiben

© EcoPalsDas Gründerteam von EcoPals (v. l.: Jonas Varga, Gudrun Gräbe und Fabien Matthias)

Das Beben, das letztlich zur Gründung des Fraunhofer Spin-offs EcoPals führte, erfasste die den Abiturienten Fabien Matthias 2015 in Nepal. Fabien arbeitete als Englisch-Lehrer für eine Entwicklungshilfe-Organisation, als die gesamte Region des südlichen Himalaya von einem verheerenden Erdbeben erschüttert wurde. Hunderte verloren ihr Leben, Hunderttausende Unterkunft, Arbeit und Zukunftsperspektiven. Auch die Schule, in der Fabien rund 150 Jungen und Mädchen unterrichteten, wurde beschädigt und mit ihr die in Nepal seltene Chance, sich mit Bildung und Ehrgeiz selbst aus der Armut heraus zu arbeiten. Die Region blieb wochenlang abgeschnitten von internationaler Unterstützung, Hilfszusagen für den Wiederaufbau der Schule blieben aufgrund von Missmanagement und fehlender Logistik unerfüllt. Doch der Abiturient wollte sich nicht mit dem Ende ihres Schulprojektes abfinden. Er startete gemeinsam mit Jonas Varga und weitere Kommilitonen seine erste Gründung, eine NGO für effektive Soforthilfe vor Ort.

Einheimische und eine wachsende weltweite Unterstützer-Community arbeiteten zusammen, um nicht nur den Wiederaufbau von Zerstörtem zu leisten, sondern Mikro-Unternehmen in den Krisenregionen selbst zu fördern, mit denen neues Wachstum, nachhaltige Lösungen für gravierende soziale Probleme und neue Chancen für die einheimische Bevölkerung entwickelt werden sollten.

Der Erfolg und auch die bisweilen schmerzhaften Lerneffekte bei den Projekten vor Ort, hatten auch das Denken der Gründer selbst verändert: Kleine, agile Unternehmen hatten sich in ihrer Arbeit als wirkungsvolle Problemlöser erwiesen, die nicht nur die Versorgung für den Augenblick lieferten, sondern die vorhandenen Energien und Talente der Einheimischen nutzten, um neue Zukunftsperspektiven zu schaffen. Diese Erkenntnis machte aus den beiden engagierten Sozialwissenschaftlern / Ökonomen mehr und mehr unternehmerisch denkende „Social Entrepreneurs“, die soziale Ziele mit cleveren Geschäftskonzepten erreichen wollten.

Systemische Problemlösung: Der Asphalt der Zukunft mit Plastikmüll?

Während des großen Bebens fehlte es den Nepalesen nicht an Hilfsbereitschaft aus dem Ausland, nicht an engagierten Helfern oder Spenden an Nahrungsmitteln oder medizinischen Gütern. Ein systemisches Problem, mit dem die lokale Bevölkerung in Nepal seit jeher kämpfte, waren die zu kleinen und schlecht gewarteten Straßen, welche die regionale Versorgung vor allem in Krisenzeiten kaum zuließen. Die beiden jungen Sozial-Unternehmer hatten während ihres Hilfseinsatzes selbst erfahren, dass dieses Grundproblem mit regionalen Ressourcen gelöst werden musste, um den entlegenen Regionen Perspektiven für eine sichere Zukunft zu bieten. Eine Ressource, die in Nepal schnell wuchs und noch kaum erschlossen war, bilden die riesigen Müllkippen, auf denen überwiegend Einweg-Plastik deponiert wurde. Die Flaschen und Behälter aus Multilayer-Plastik, dem verbreiteten Verbund verschiedener Plastik-Varianten, konnte nicht mit den bekannten Verfahren recycelt und wiederverwertet werden. Könnten die gigantischen Berge unseres Zivilisationsmülls zur Ressource für den Ausbau des Straßennetzes in Nepal werden?

Mit dieser utopisch anmutenden Idee begannen Jonas und Fabien mit Forschungs- und Technologie-Monitoring und Machbarkeitsanalysen in Nepal und an weltweiten Technologiezentren. Forschungen eines indischen Professors lieferten erste Anhaltspunkte, dass Plastik-Elemente das erdölbasierte Bitumen in Straßenbau-Asphalt größtenteils ersetzen konnte und sogar interessante neue Materialeigenschaften versprach. Nach ersten Forschungsergebnissen wäre eine Steigerung der Lebensdauer in Nepal im Vergleich zu den bisher verwendeten Asphaltvarianten um bis zu 50% möglich. 10% des Bitumens könnten durch Plastikmüll ersetzt werden und somit nicht nur 1.1 Tonnen CO2 pro eingebaute Tonne Plastik einsparen, sondern auch den Aufbau einer Recycling-Infrastruktur vor Ort ermöglichen.

Innovation aus der Schublade: Fraunhofer-Technologie findet Gründer

Die Idee, Plastik als Rohstoff für den Straßenbau zu nutzen, ist keineswegs neu. Die Neuartigkeit besteht in der Verwendung von recycelten Kunststoffen. Ein Forscherteam des Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Karlsruhe wies die Möglichkeit bereits vor mehreren Jahren im Zuge eines Industrieprojekts auf und erprobte Methoden des Bitumen-Ersatzes durch Plastik. Doch Technologie und Forschungskompetenz schienen ihrer Zeit voraus zu sein und der Industriepartner verfolgte die Idee nicht weiter obwohl am Fraunhofer-Institut sogar eine Teststraße gebaut wurde. Ein konkretes Anwendungsszenario konnte trotz offenkundiger Vorteile im Jahr 2009 offensichtlich nicht gefunden werden.

Das änderte sich, als die beiden Studenten mit ihrer Geschäftsidee auf die Fraunhofer-Forscher Gudrun Gräbe und Torsten Müller trafen. Schnell bildete sich ein fachlich spezialisiertes und hoch motiviertes Team, welches das gemeinsame Ziel Kunststoffabfälle im Straßenbau einzusetzen und somit die Recycle-Quote zu erhöhen bis heute verfolgen.

Die beiden jungen Gründer bewarben sich beim Bootcamp des AHEAD-Programms und konnten sich nach erfolgreichem Pitch ihrer Idee die Erstfinanzierung sichern.

Asphalt neu gedacht: Das Geschäftsmodell der guten Idee

EcoPals ist nun ein Spin-off-Projekt im Rahmen des AHEAD-Programms von Fraunhofer Venture. Das Team aus Forschern und Gründern arbeitet in der 2. Phase des Programms an der Marktvalidierung und verfolgt inzwischen ein binäres Geschäftsmodell: Neben der technologie-basierten Problemlösung in Nepal hat das Team im AHEAD-Programm ein zweites Standbein identifiziert, das für die Asphalt-Industrie weltweit interessant werden könnte: Mit Fraunhofer-Technologie lassen sich die Produktionskosten für hochwertigen Straßenasphalt signifikant senken, weil der Rohstoff – nicht-recycelbares Plastik  – im Überfluss vorhanden ist und als Deponiemüll sogar Kosten verursacht.

Für den Erfolg des Projekts muss das EcoPals-Team nun beweisen, dass sie die Herausforderungen einer Gründung von der guten Idee bis hin zum marktfähigen Produkt meistern können. Für das Betreuer-Tandem Dominik Malter und Thomas Meier von Fraunhofer Venture bedeutet das, echtes Kundeninteresse und Zahlungsbereitschaft mit einem Pilotkunden nachzuweisen. „Das EcoPals-Team hat mit viel Engagement aus einer spannenden Idee eine interessante Geschäftsperspektive entwickelt. Der entscheidende Meilenstein ist nun, gemeinsamen mit einer Kommune, einem Asphalt-Zulieferer, einem Straßenbau-Unternehmen und mit Playern der Abfallwirtschaft ein erstes Straßenbauprojekt zu realisieren“, so Dominik Malter, der EcoPals als Investment Manager begleitet. Dieser Use-Case würde nicht nur den Product-Market-Fit nachweisen, sondern auch zeigen, dass aus bisher ungenutzten Forschungsergebnissen mit dem richtigen Geschäftsmodell und einem engagierten Team, spannende Spin-offs mit zusätzlichem gesellschaftlichen Mehrwert entstehen können.

Source

Fraunhofer Venture, Pressemitteilung, 2020-11-02.

Supplier

EcoPals
Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT)

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