Das europäische Kunststoffsystem muss innerhalb der kommenden 5 Jahre tiefgreifend verändert werden, um die langristigen Ziele einer Kreislaufwirtschaft und Netto-Null-Emissionen zu erreichen, mahnt ein neuer umfassender Bericht an

Neuer Report zeigt auf, dass ein vollständig kreislauffähiges, kohlenstoffneutrales Kunststoffsystem in Europa durchaus möglich ist, aber radikale Innovationen, ambitionierte politische Maßnahmen und erhebliche Investitionen erfordert

  • Die Umgestaltung des Kunststoffsystems muss die Aspekte einer Kreislaufwirtschaft und der Kohlenstoffemissionen gleichzeitig berücksichtigen und dazu sowohl vor- als auch nachgelagerte Maßnahmen implementieren – Recycling alleine wird nicht ausreichen
  • Die derzeitigen Anpassungen des europäischen Kunststoffsystems vollziehen sich zu langsam, um die vereinbarten Klima- und Kreislaufwirtschaftsziele und die Ziele des European Green Deal zu erreichen
  • Ein auf Zusammenarbeit beruhender, systemischer Ansatz unter Einbeziehung sämtlicher Interessengruppen ist dringend notwendig

Der heute veröffentlichte umfassende neue Bericht „ReShaping Plastics – Wege zu einer zirkulären, CO2-neutralen europäischen Kunststoffwirtschaft“ kommt zu dem Schluss, dass ein vollständig kreislauffähiges, kohlenstoffneutrales Kunststoffsystem in Europa durchaus möglich ist, aber radikale Innovationen, ambitionierte politische Maßnahmen und erhebliche Investitionen erfordert. Die Zusammenarbeit zwischen Industrie, Regierungen und Zivilgesellschaft ist hier der entscheidende Erfolgsfaktor.

ReShaping Plastics konzentriert sich auf vier der wichtigsten kunststoffverarbeitenden Branchen: Verpackungen, Haushaltswaren, Automobil- und Bauwirtschaft. Vorgestellt werden sechs Szenarien, in denen dargelegt wird, welche Maßnahmen für die verschiedenen Kunststoffanwendungen Vorrang haben sollten, um die Kreislaufwirtschafts- und Klimaschutzziele zu erreichen.

Die wichtigsten Ergebnisse des Berichts

  1. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die derzeitigen Maßnahmen von Industrie und Politik die Kreislauffähigkeit des Systems bis 2030 mit einer Erhöhung von 14% auf 30% mehr als verdoppeln könnten. Somit würden die jährlichen CO2-Emissionen um 11 Millionen Tonnen (Mt) verringert
    und die in Mülldeponien bzw. Verbrennungsanlagen entsorgte Menge der Kunststoffabfälle um 4,7 Mt gesenkt werden. Allerdings würde trotz dieser Maßnahmen ein höchst ressourcenineffizientes System fortbestehen. Hinzu kommt, dass die Maßnahmen nicht schnell genug greifen, um die Ziele der Circular Plastics Alliance, des European Green Deal oder der Klimaabkommen von Paris und Glasgow zu erreichen.
  2. Es gibt keine Patentlösung, um die Abfallmenge und die Treibhausgasemissionen deutlich zu senken. Vorgelagerte1 und nachgelagerte2 Lösungen ergänzen einander und sind am wirksamsten, wenn sie gleichzeitig eingesetzt werden.
  3. Die ambitionierte Umsetzung von Konzepten der Kreislaufwirtschaft innerhalb der Kunststoff-Wertschöpfungskette – d.h. die gleichzeitige Anwendung vor- und nachgelagerter Lösungen – kann im kommenden Jahrzehnt und darüber hinaus eine erhebliche Verringerung der Treibhausgasemissionen und der Abfallmenge bewirken. Dennoch reicht dies nicht aus, um bis 2050 das Ziel der Netto-Null-Emissionen zu erreichen.
  1. Um bis 2050 das Ziel der Netto-Null-Emissionen zu erreichen, muss zusätzlich zu den bereits bewährten Hebeln der Kreislaufwirtschaft auch eine Reihe innovativer, weniger ausgereifter Technologien und Ansätze entwickelt und eingesetzt werden, um die Treibhausgasemissionen weiter zu senken und Kunststoffe von fossilen Rohstoffen zu entkoppeln.
  2. Die kommenden drei bis fünf Jahre sind ein entscheidender Zeitraum für die Ergreifung von Maßnahmen. Lange technologische Reifezyklen und Investitionsbeschränkungen für große Infrastrukturinvestitionen bedeuten, dass die in den frühen 2020er-Jahren gefassten Beschlüsse
    darüber entscheiden werden, ob das europäische Kunststoffsystem bis 2050 zu einer Kreislaufwirtschaft mit Netto-Null-Emissionen umgestaltet werden kann.

“Dieser rigorose und umfassende Bericht sollte für alle europäischen Interessengruppen der Kunststoffbranche ein Weckruf sein. Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Berichts ist, dass das europäische Kunststoffsystem bereits dabei ist, sich an die Herausforderungen hinsichtlich Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft anzupassen, dass aber die Verpflichtungen der Industrie und der politischen Entscheidungsträger weder weit genug gehen noch schnell genug umgesetzt werden, als dass sie die Ziele des europäischen Green Deal oder der Klimaabkommen von Paris und Glasgow erreichen könnten. Wir müssen uns anpassen – und zwar schnell. Dieser Bericht liefert einen Fahrplan für diesen notwendigen Wandel, doch der Weg dahin wird steinig sein – und deshalb müssen wir jetzt den ersten Schritt tun“, kommentierte Jyrki Katainen, Präsident des finnischen Innovationsfonds Sitra.

„Wie vollständig der Wandel des Systems gelingt, hängt davon ab, wie viel Führungsstärke die wichtigsten Entscheidungsträger aller Interessengruppen an den Tag legen. Die Einführung von Konzepten der Kreislaufwirtschaft innerhalb der gesamten Kunststoff-Wertschöpfungskette kann bis 2030 eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um 33% bzw. eine Reduzierung der Abfallmenge um 46% bewirken. Dies ist sowohl bezahlbar als auch im Rahmen der technischen Möglichkeiten machbar, erfordert jedoch eine ambitionierte Kombination aus vor- und nachgelagerten Lösungen.

Die Neuaufstellung des Kunststoffsystems ist im Bereich des Möglichen, erfordert aber ein mutiges Handeln. Die Industrie, der öffentliche Sektor, Investoren und die Zivilgesellschaft müssen aus ihren jeweiligen „Gräben“ herauskommen und auf der Grundlage einer gemeinsamen Faktenbasis enger zusammenarbeiten – das war das Hauptziel dieses Projekts“, erklärte Yoni Shiran, Programmleiter und Partner bei SYSTEMIQ.

Virginia Janssens, Geschäftsführerin von Plastics Europe: „Wir sind uns der Tragweite der Klimakrise und des Problems des Plastikmülls bewusst. Daher ist es so wichtig, dass wir weiterhin nach Wegen suchen, um eine faktenbasierte Diskussion mit sämtlichen Akteuren der Kunststoff-Wertschöpfungskette und den politischen Entscheidungsträgern darüber anzustoßen, wie der Übergang zu den Netto-Null-Emissionen und die Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsziele der EU am wirksamsten beschleunigt werden kann. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, diesen Bericht in Auftrag zu geben.“

„Plastics Europe begrüßt den Bericht. Er ist aufschlussreich und gibt neue Denkanstöße und wird damit sicherlich einen wertvollen Beitrag zur Information und Orientierung der Entscheidungen von Plastics Europe, unserer Mitglieder und aller Interessengruppen leisten. Die Mitglieder von Plastics Europe investieren und innovieren schon seit langem, um die Ziele der EU in Bezug auf Netto-Null- Emissionen und Kreislaufwirtschaft zu unterstützen, und diese Bemühungen haben in den vergangenen Jahren noch an Fahrt aufgenommen. Wir unterstützen jedoch die zentrale Erkenntnis des Berichts, dass ein schnellerer, systemischer Wandel unerlässlich ist und dass die Kreislaufwirtschaft mittelfristig der wichtigste Hebel für die Umgestaltung des europäischen Kunststoffsystems ist.“

Zusätzlich zu den bewährten Ansätzen der Kreislaufwirtschaft gibt es eine Reihe weniger ausgereifter Lösungsansätze – darunter die Umstellung auf grünen Wasserstoff, die Verwendung von Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) in Verbrennungsanlagen und Steamcrackern, die Umstellung auf biobasierte Polymere und die Elektrifizierung von Steamcrackern, die die Treibhausgasemissionen verringern und einen Beitrag dazu leisten, Kunststoffe von fossilen Rohstoffen zu entkoppeln. Diese Maßnahmen spielen eine zentrale Rolle, damit das europäische
Kunststoffsystem das Ziel der Netto-Null-Emissionen erreichen kann, da die Hebel der Kreislaufwirtschaft, trotz ihrer wichtigen Bedeutung, für sich genommen nicht ausreichen werden.

Darüber hinaus deckt der Bericht Datenlücken in den aktuellen Daten zum Kunststoffabfall auf; so werden beispielsweise mehr als 40% des in Europa in Umlauf gebrachten Kunststoffs in den Abfallstatistiken nicht vollständig erfasst.3 Diese Datenlücke stellt eine große Hürde für das Gesamtverständnis der Umwelt- und Klimaauswirkungen von Kunststoffen dar.

Die Ergebnisse von ReShaping Plastics verdeutlichen, dass das Kunststoffsystem dahingehendangepasst werden muss, dass es nicht nur kreislauffähig gestaltet, sondern auch mit der Netto-Null-Emissions-Agenda in Einklang gebracht wird, und dass diese beiden Herausforderungen gleichzeitig angegangen werden müssen. Auf der Grundlage des wissenschaftlich fundierten Ansatzes des von SYSTEMIQ und The Pew Charitable Trusts herausgebrachten, wegweisenden Berichts Breaking the Plastic Wave (Die Plastikwelle stoppen) verwendet ReShaping Plastics ein datengestütztes Modell des europäischen Kunststoffsystems, das es den Forschern ermöglicht, die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen verschiedener Szenarien und Systemeingriffe – wie Investitionen in Recycling, Gestaltung von Verpackungen für die Kreislaufwirtschaft, Umstellung auf Wiederverwendungssysteme etc. – von heute bis 2050 zu quantifizieren.

ReShaping Plastics war ein 12-monatiges Projekt, das von SYSTEMIQ, einem unabhängigen Unternehmen für Systemveränderungen, durchgeführt wurde. Es wurde von einem komplett unabhängigen Lenkungsausschuss und einem Expertengremium überwacht, das sich zur Gewährleistung der Unparteilichkeit aus Experten aus Industrie, öffentlichem Sektor, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammensetzte. Jyrki Katainen, Präsident des finnischen Innovationsfonds Sitra, ehemaliger Vizepräsident der Europäischen Kommission und ehemaliger finnischer Ministerpräsident, fungierte als Vorsitzender des Lenkungsausschusses. Der Bericht wurde von Plastics Europe in Auftrag gegeben und finanziert. Die Reaktion von Plastics Europe auf den Bericht finden Sie hier.

Über SYSTEMIQ

SYSTEMIQ wurde 2016 mit dem Ziel gegründet, die Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens und die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung voranzutreiben, indem in vier wichtigen Wirtschaftssystemen ein Wandel der Märkte und Geschäftsmodelle vollzogen wird: Landnutzung, kreislauffähige Materialien, saubere Energie und nachhaltige Finanzen. Als zertifizierte B Corp. arbeitet SYSTEMIQ mit der Industrie, Finanzeinrichtungen, Regierungsinstitutionen sowie der Zivilgesellschaft zusammen und investiert in Unternehmen, die das Potenzial haben, wirtschaftliche Chancen zu erschließen, die sowohl der Wirtschaft als auch der Gesellschaft und der Umwelt zugutekommen.

2020 veröffentlichten SYSTEMIQ und The Pew Charitable Trusts mit „Breaking the Plastic Wave: A Comprehensive Assessment of Pathways Towards Stopping Ocean Plastic Pollution“ (Die Plastikwelle stoppen: eine umfassende Bewertung der Lösungsansätze zur Eindämmung der Plastikverschmutzung der Meere) ein bislang einzigartiges Modell des globalen Plastiksystems, das darlegt, wie die Plastikverschmutzung der Meere radikal reduziert werden kann. Die Ergebnisse der Analyse wurden in der von Experten begutachteten Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

1 Pre-Consumer-Maßnahmen, z. B. Materialüberarbeitung, Reduzierung von Kunststoffen und Einsatz von Ersatzstoffen
2 Post-Consumer-Maßnahmen, wie mechanisches und chemisches Recycling
3 Der im „Umlauf und Bestand verwendete“ Kunststoff kann einen Teil dieser Datenlücke erklären, aber gemäß unserer Auswertung wahrscheinlich nicht den gesamten Umfang

Source

Systemiq, Pressemitteilung, 2022-04.

Supplier

Plastics Europe
SYSTEMIQ

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