Blauer Planet wird grüner

Analyse des globalen Pflanzenwachstums zeigt Einfluss der Landnutzung

Frankfurt, am Main, 1. August 2014. Veränderungen der langfristigen Trends der globalen Photosyntheseleistung und damit der Vitalität der Pflanzen werden bislang meist dem Klimawandel zugeschrieben. Eine im Fachjournal „Remote Sensing“ erschienene Studie analysierte nun den auf Satellitendaten basierenden Vegetationsindex Normalized Difference Vegetation Index (NDVI) – mit dem Ergebnis, dass zur Erklärung der Veränderungen künftig auch die menschlichen Einwirkungen herangezogen werden sollten. Denn diese sind global für über 20% der Variabilität der NDVI-Trends verantwortlich. Auch in die globalen Klimamodelle sollten Landnutzungseffekte deshalb künftig verstärkt eingehen.

Der Ökologe Thomas Müller, der am LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) und der Goethe-Universität Frankfurt forscht und lehrt, nutzt Satellitendaten, um zu untersuchen, wie die Muster des Pflanzenwachstums mit den Wanderungen von Karibus und Gazelle zusammenhängen. Hierbei kam ihm folgende Idee: Wird in den globalen Vegetationsmustern vielleicht auch der menschliche Fußabdruck sichtbar?

Gemeinsam mit Wissenschaftlern der NASA, des Umweltforschungszentrums Leipzig und mehrerer amerikanischer Institute untersuchte er, wie sich die Vegetation in den letzten Jahrzehnten weltweit entwickelt hat. Hierzu analysierte das Team die Veränderungen des „Normalized Difference Vegetation Index“ (NDVI), eines der global am häufigsten angewandte Vegetationsindexe, von 1981 bis 2010. Der NDVI erlaubt, basierend auf der von Satelliten gemessenen Lichtreflektion von Pflanzen, Rückschlüsse auf die Vegetation der Erdoberfläche. Die Intensität der Reflektion hängt dabei vom Chlorophyllgehalt der Pflanzen ab, der wiederum durch die Photosynthesaktivität bedingt ist. Ein Anstieg des Vegetationsindexes wurde deshalb als Zeichen einer Erhöhung der Photosyntheseaktivität gewertet.

Intensivierte Landwirtschaft, Düngung und Bewässerung steigern Wachstum

In der untersuchten Periode zeigten insbesondere besiedelte Gebiete, die intensiv genutzt werden, deutliche Zuwächse der Produktivität und ein intensiveres Grün der Pflanzendecke. „Die Eingriffe des Menschen haben das Pflanzenwachstum auf weiten Flächen stark angekurbelt. Beispielsweise hat es in intensiv genutzten ländlichen Räumen im Vergleich zu Wäldern um das Doppelte zugenommen“, so Thomas Müller. Weltweit sind dies gleichzeitig Gebiete mit hoher Siedlungsdichte wie Europa, aber auch Westindien und Nordchina. Ursache dieser Entwicklung ist die intensivierte Landwirtschaft sowie der damit verbundene Einsatz von Bewässerung und Düngung.

Anteil des menschlichen Einflusses an Indexveränderungen über 20 %

Müller und seine Kollegen führten auch statistische Analysen durch, um den relativen Anteil der verschiedenen Faktoren abzuschätzen, die das globale Pflanzenwachstum beeinflussen. Sie zeigten, dass der menschliche Einfluss über 20 % der Veränderungen des Vegetationsindexes ausmacht. Im Umland dicht besiedelter Gebiete (ca. 500 Menschen pro Quadratkilometer) stieg der Vegetationsindex um 4,3 Prozent, in der Nähe von Dörfern sogar um 6 Prozent. In diesen ländlichen Regionen findet die intensivste Landwirtschaft statt. In Gebieten, die nur geringem menschlichen Einfluss unterliegen, wurde so gut wie keine Veränderung verzeichnet.

Der Vegetationsindex schlüsselt zwar nicht auf, ob das gesteigerte Pflanzenwachstum durch mehr und vitalere Kulturpflanzen oder die natürliche Vegetation bedingt ist. Da letztere in Gebieten mit hoher Siedlungsdichte jedoch tendenziell auf dem Rückzug ist, ist der Anstieg sicherlich überwiegend der Landwirtschaft zuzuschreiben.

Menschlichen Fußabdruck in Klimamodelle integrieren

Langfristig beobachtbare Veränderungen des Vegetationsindexes wurden bisher oft mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht, z.B. wurde die Begrünung der Sahelzone mit dem steigenden Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre erklärt. Die Studie zeigt, dass der direkte Einfluss des Menschen auf die Vegetation aber noch mehr berücksichtigt, Veränderungen der Vegetationsindexe differenzierter betrachtet werden müssen. „Landnutzung in stark besiedelten Gebieten sowie anderen Regionen, die stark durch menschliche Eingriffe geprägt sind, trägt mehr zur Veränderung der Photosynthese-Kapazität der Pflanzen bei als bisher angenommen. Dieser direkte menschliche Einfluss sollte daher auch stärker in Klimamodelle einfließen“, resümiert Müller.

Kontakt:

Prof. Dr. Thomas Müller
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F),
Tel. + 49 (0)69 7542 1889
thomas.mueller@senckenberg.de

Dr. Julia Krohmer
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), Transferstelle
Tel. +49 (0)69 7542 1837
julia.krohmer@senckenberg.de

 

Über LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main

Mit dem Ziel, anhand eines breit angelegten Methodenspektrums die komplexen Wech-selwirkungen von Biodiversität und Klima zu entschlüsseln, wird das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK‐F) seit 2008 im Rahmen der hessischen Landes‐Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und die Goethe Universität Frankfurt sowie weitere direkt eingebundene Partner kooperieren eng mit regionalen, nationalen und internationalen Akteuren aus Wissenschaft, Ressourcen‐ und Umweltmanagement, um Projektionen für die Zukunft zu entwickeln und wissenschaftlich gesicherte Empfehlungen für ein nachhaltiges Handeln zu geben.

Source

LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Pressemitteilung, 2014-08-01.

Supplier

Goethe-Universität Frankfurt/Main
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum
NASA

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