Abheben mit Algen
Flugzeuge sind nun mal keine Fahrräder. Pro Kopf stoßen sie weitaus mehr von dem Klimakiller Kohlendioxid aus als Busse oder Bahnen. Doch das soll in Zukunft besser werden. Ab 2020 soll der internationale Flugverkehr klimaneutral wachsen, bis 2050 sollen sich die Emissionen halbieren. So hat es die Luftfahrtbranche beschlossen. „Das ist eine sehr sportliche Herausforderung“, sagt Dr. Claudia Thomsen, „Die kann man nicht allein über verbesserte Triebwerke oder Gewichtsersparnis lösen.“ Die Meeresforscherin hat eine Idee, wie das klappen könnte: durch Kerosin, das aus Algen gewonnen wird.
Thomsen ist Geschäftsführerin der Phytolutions GmbH, einer Ausgründung der Jacobs University in Bremen. Die private Universität ist auch weiterhin ein enger wissenschaftlicher Partner des Unternehmens. Dort hatte die Planktologin über die Aufnahme von Kohlendioxid aus Rauchgasen für das Wachstum von Mikroalgen geforscht. Daraus entstand eine Firma, deren Ziel die wirtschaftliche Nutzung von Algen ist – als Energieträger für Treibstoff und als Rohstoff für Lebensmittel, die Futter- oder die Pharmaindustrie.
„Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung“, sagt Thomsen. Wie weit sie gediehen ist, lässt sich am Forschungszentrum in Jülich beobachten. Dort befindet sich eine von Phytolutions gebaute Aufwachsstation für Algen, ein Photobioreaktor. An Trägergestellen hängen übergroße, durchsichtige Folien, in denen die Algen im Wasser zirkulieren. Sie werden gedüngt, binden Kohlendioxid unter anderem aus Industrieabgasen, und sie wachsen bis zu 20 Mal schneller als Landpflanzen. „Es ist wie in der Landwirtschaft“, sagt Thomsen. „Nur dass wir alle ein bis zwei Wochen ernten.“ Die Anlage ist Teil des vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projektes „Aufwind“, mit dem die Umwandlung von Algen in Biokerosin erforscht wird.
Dass Flugzeuge mit Algen-Sprit im Tank fliegen können, hat die Airbus Group bereits 2010 in einem Pilotprojekt bewiesen. Die technische Unbedenklichkeit ist also belegt. Was fehlt, ist die weltweite Verfügbarkeit des Biosprits. Die Flugzeuge müssen überall Kerosin in gleicher Qualität tanken können. „Die regenerativen Treibstoffe aus Algen sind einfach noch zu teuer“, so Thomsen. Daran wird sich so schnell nichts ändern, auch wenn die Biomasse nicht nur aus Algen, sondern aus vielen verschiedenen Quellen kommen sollte.
Dabei haben die Einzeller gegenüber Landpflanzen einen weiteren wesentlichen Vorteil: Sie wachsen nicht nur schneller, sie sind auch sehr ölhaltig. Auf einem Hektar Anbaufläche lassen sich aus Mikroalgen bis zu 20.000 Liter Öl gewinnen, bei Raps sind es gerade mal 1.600 Liter. Um die weltweite Flugzeugflotte mit Kerosin zu versorgen, müsste ganz Europa mit Sojabohnen bepflanzt werden. Wären Algen der Grundstoff, wäre nur noch die Fläche von Belgien nötig.
Nicht zuletzt deshalb ist Claudia Thomsen davon überzeugt: Ein Ort, an dem ausreichend Biomasse wachsen könnte, ist Offshore, im Meer. Dies gilt auch für Proteine und Kohlenhydrate, die ebenfalls aus Algen gewonnen werden. Szenarien, in denen Küstenregionen an Land und im Meer für die Algenproduktion genutzt werden, gibt es bereits. Die Pflanzen stehen nicht in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln und verbrauchen kein kostbares Süßwasser. Claudia Thomsen ist sich sicher: „Die Zukunft wird in einer maritimen Ressource liegen.“
Source
Jacobs University, Pressemitteilung, 2014-06-04.
Supplier
Airbus
Forschungszentrum Jülich
Jacobs University, Bremen
Phytolutions GmbH
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