Ausschreibungshilfen für biobasierte Kunststoffe in der nachhaltigen Beschaffung

Formulierungen für die Materialanforderung "Biobasierter Kunststoff" in einer Leistungsbeschreibung

Viele konventionelle erdölbasierte Verpackungen und Produkte können heute durch Alternativen aus biobasierten Kunststoffen ersetzt werden.
Viele konventionelle erdölbasierte Verpackungen und Produkte können heute durch Alternativen aus biobasierten Kunststoffen ersetzt werden. © FNR/Döring

Biobasierte Kunststoffe erobern den Markt – von Verpackungen, Büro- und Drogerieartikeln, Küchenutensilien bis hin zu Gerätegehäusen und Mobiliar. Sie gelten, neben Rezyklaten, als nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Kunststoffmaterialien aus Erdöl und eignen sich für nahezu alle Anwendungen. Um die Materialeigenschaft “biobasierter Kunststoff” in der Leistungsbeschreibung im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung präzise zu formulieren, sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden.

1. Definition des Materials

“[Das Produkt] muss aus biobasiertem Kunststoff oder massenbilanziertem Kunststoff mit zugeordnetem biogenem Anteil hergestellt sein.”

Eine klare und präzise Definition des biobasierten Kunststoffs sollte bereitgestellt werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Es wird zwischen rein biobasierten Kunststoffen und solchen auf Basis von Massenbilanzierung unterschieden. Beide Varianten sind für den nachhaltigen Einkauf geeignet, denn sie unterstützen jeweils einen Rohstoff- und Strukturwandel von einer erdölbasierten hin zu einer biobasierten Wirtschaft. 

1.1. Definition biobasierter Kunststoff

“Unter biobasiertem Kunststoff wird ein Kunststoff verstanden, dessen Hauptbestandteile aus nachwachsenden Rohstoffen stammen. Hierzu zählen Polymere, die aus pflanzlichen Materialien wie Maisstärke, Zuckerrohr, Cellulose oder anderen biogenen Quellen bzw. Reststoffen gewonnen werden.”

Hintergrund:  Im Aufbau können biobasierte Kunststoffe entweder komplett identisch sein mit herkömmlichen Kunststoffen aus Erdöl (sie heißen dann Drop-In-Biokunststoffe) oderaber eine neuartige Struktur aufweisen. Ein typisches Beispiel für einen identisch aufgebauten Kunststoff ist Polyethylen (PE). Es kann gleichermaßen aus fossilen wie aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und lässt sich deshalb genauso verarbeiten und einsetzen. Aus (Bio-)PE werden u.a. Verpackungsmaterialien, Flaschen und Baustoffe hergestellt. Zu den strukturell „neuartigen“ biobasierten Kunststoffen gehört z.B. Polymilchsäure (Polylactidacid – PLA). Dieser Kunststoff kann nur aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und hat etwas andere Verarbeitungseigenschaften. Aus PLA werden ebenfalls Verpackungsmaterialien, aber auch Büroartikel produziert.

1.2. Definition massenbilanzierter Kunststoff

“Unter massenbilanziertem Kunststoff mit zugeordnetem biogenen (bio-attributed) Anteil wird ein Kunststoff verstanden, der durch einen zertifizierten Produktionsprozess hergestellt wird, bei dem sowohl fossile als auch biobasierte Rohstoffe eingesetzt und bilanziert werden.”

Hintergrund:  Die Massenbilanzierung erlaubt es dem Hersteller, den biobasierten Anteil der eingesetzten Rohstoffe rein rechnerisch nur einem Teil der produzierten Kunststoffe/Produkte zuzuordnen. Dieser biogene Anteil wird rechnerisch ermittelt. Das garantiert, dass ein festgelegter Prozentsatz der eingesetzten Rohstoffe aus erneuerbaren Quellen stammt, ohne dass die gesamte Produktionsanlage auf biobasierte Rohstoffe umgestellt werden muss, was oftmals unwirtschaftlich wäre.

Achtung: Der Begriff “biobasiert” ist nicht zulässig im Zusammenhang mit massenbilanzierten Kunststoffen. Das CEN (Europäisches Komitee für Normung) hat festgelegt, dass nur solche Kunststoffe als „biobasiert“ bezeichnet werden dürfen, bei denen über die 14C-Analyse nachzuweisen ist, dass der enthaltene Kohlenstoff ganz oder teilweise aus Biomasse stammt (CEN TC 411). Bei massenbilanzierten Kunststoffen ist dies oft nicht mehr möglich, da der biobasierte Anteil durch die Vermischung mit fossilbasierten Anteilen unter der Nachweisgrenze liegen kann. Daher dürfen massenbilanzierte Kunststoffe (zurzeit noch) nicht mit “[x]% biobasiertes Plastik” beworben werden. Trotzdem tragen auch diese Produkte zur Entwicklung einer Bioökonomie bei und sind somit für die nachhaltige Beschaffung geeignet.


2. Anforderungen an den biobasierten Anteil

“Bei biobasierten Kunststoffen muss der Anteil an biobasiertem Kohlenstoff (gemessen am gesamtorganischen Kohlenstoff [TOC] oder am Gesamtkohlenstoff [TC]) mindestens 20% betragen.* Der Anteil ist durch geeignete Nachweise (z.B. Prüfberichte nach ASTM 6866DIN EN 16785-1 bzw. auf diesen Nachweisen basierende Gütezeichen wie “DIN Geprüft Biobased“, “OK biobased” oder vergleichbare) zu belegen.Massenbilanzierte Kunststoffe müssen mindestens zu 50% (Masseanteil)* aus zugeordneten biobasierten Rohstoffen bestehen. Der Anteil ist durch geeignete Nachweise (z.B. ISCC Plus und REDcert2) zu belegen.”

Die spezifischen Anforderungen an den Anteil des biobasierten Materials sollten festgelegt werden.

Mögliche Zuschlagskriterien

  • – * Anteil biobasierter Rohstoff

Der biobasierte (bei Massenbilanzierung ‚zugeordnete‘) Rohstoff-Anteil kann als Zuschlagskriterium gewertet werden. Er kann bis zu 100 % betragen. Die biobasierte Herkunft des Kunststoffs und der Anteil biobasierter Rohstoffe sollte durch geeignete Zertifikate nachgewiesen werden. 

  • – Herkunft der biobasierten Rohstoffe aus zertifizierter nachhaltiger Landwirtschaft

Sollen die Nachhaltigkeitskriterien entlang der Lieferkette noch weiter spezifiziert werden, kann gefordert werden, dass die eingesetzten biogenen Rohstoffe aus nachhaltiger Landwirtschaft stammen müssen. Hierbei ist auf eine umweltfreundliche Bewirtschaftung und fairen Handel zu achten. Zertifikate wie ISCC PlusRSBFSCFSS oder vergleichbare Nachweise sind zu bevorzugen. Diese eignen sich ebenfalls als Zuschlagskriterium.


3. Nachweise 

Gütezeichen für rein biobasierten Kunststoff

Im Wesentlichen gibt es zwei Zertifizierer, die ihre Label gestaffelt nach dem biobasierten Anteil in den Produkten vergeben: DIN Certco und TÜV Austria.

Gütezeichen für massenbilanzierten Kunststoff mit zugeordnetem biogenen Anteil

Auf Basis der Norm zur Rückverfolgbarkeit von Lieferketten (ISO 22095:2020) gibt es von zwei Zertifizierern (ISCC Plus und REDcert2) erste Kennzeichen für massenbilanzierte Kunststoffe. Diese Gütezeichen bringen zum Ausdruck, dass die Kunststoffe einen Bioanteil haben, der “zugeordnet” (bio-attributed) ist. Dieser zugeordnete Anteil wird entsprechend ausgewiesen. 


4. Technische Spezifikationen

Neben produktbezogenen technischen Spezifikationen wie Temperaturbeständigkeit, Zugfestigkeit oder Bruchdehnung gibt es in diesem Bereich auch Aspekte, die in der nachhaltigen Beschaffung eine Rolle spielen, wie z.B. die Recyclingfähigkeit eines Materials.

(Bio-)Kunststoffe sind Wertstoffe. Für ihre Produktion wurden wertvolle Rohstoffe und Energie genutzt. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz hat daher Hierarchiestufen für die Vermeidung von unnötigen Abfällen aufgestellt: Vermeidung – Wiederverwendung – Recycling – Verbrennung – Deponierung. Dementsprechend ist auch für biobasierte Kunststoffe die angestrebte Verwertungsart das Recycling. Das ist derzeit jedoch nur bedingt möglich.

Verwertung: Recyclingfähigkeit und Entsorgung

Stofflich recyclingfähig – das heißt Rückführung in den Stoffkreislauf zum Zwecke der Herstellung neuer Kunststoff-Produkte – sind derzeit ausschließlich Verpackungen. Sämtliche Kunststoff-Verpackungen sind deshalb über die „gelbe Tonne“ zu entsorgen. Das gilt gleichermaßen für fossile, biobasierte sowie für massenbilanzierte Kunststoffe.

Recyclingkreisläufe für Verpackungen

Etablierte Recycling-Kreisläufe gibt es bereits für sämtliche Drop-In-Biokunststoffe wie Bio-PE sowie für massenbilanzierte Kunststoffe. Theoretisch sind auch zahlreiche neuartige biobasierte Kunststoffe, wie PLA, recyclingfähig. Jedoch sind ihre Mengenströme derzeit noch zu gering, so dass ein stoffliches Recycling noch nicht wirtschaftlich ist und somit noch nicht stattfindet. Nicht recyclingfähige Materialien aus der „gelben Tonne“ werden der energetischen Nutzung zugeführt – d.h. sie werden verbrannt.

Alle anderen Produkte sind über den Restmüll („schwarze Tonne“) zu entsorgen und werden ebenfalls verbrannt. Selbst bei der energetischen Nutzung haben biobasierte Kunststoffe eine bessere Klimabilanz als solche fossilen Ursprungs. Denn es entstehen erneuerbare Wärme und Strom. Dabei wird nur die Menge an COfreigesetzt, die zuvor in kurzen Wachstumszyklen der nachwachsenden Rohstoff-Pflanzen gebunden wurde, was den Gehalt in der Atmosphäre nicht erhöht.

Kompostierbarkeit

Biobasierte Kunststoffe sind nicht automatisch biologisch abbaubar und damit auch nicht kompostierbar. Die Materialanforderung “kompostierbar” in einer Leistungsbeschreibung ist deshalb für die allermeisten Kunststoff-Warengruppen nicht zielführend.

Biogene Herkunft und biologische Abbaubarkeit gehen nicht zwangsläufig einher. Zwar gibt es bei den neuartigen biobasierten Kunststoffen einige, die auch biologisch abbaubar sind. Jedoch erfüllten nur die Allerwenigsten die Anforderungen moderner industrieller Kompostierungsanlagen. Der Gesetzgeber untersagt deshalb aktuell ausdrücklich die Entsorgung sämtlicher Kunststoffe – auch biologisch abbaubarer – über die Biotonne.


Weitere Informationen

Kontakt

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe
Dr. Gabriele Peterek
Tel.: 03843/6930-119
E-Mail: g.peterek@fnr.de

Source

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), Pressemitteilung, 2024-06-10.

Supplier

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
DIN CERTCO Gesellschaft für Konformitätsbewertung
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
International Sustainability & Carbon Certification (ISCC)
REDcert GmbH
TÜV AUSTRIA Group

Share

Renewable Carbon News – Daily Newsletter

Subscribe to our daily email newsletter – the world's leading newsletter on renewable materials and chemicals

Subscribe