Während die Agrarförderung Rekordniveau erreicht, bleiben Reformen zum Klimaschutz und gegen Marktverzerrungen unerlässlich

Die im Rahmen der EU-Agrarpolitik für Klimaschutzmaßnahmen eingesetzten Mittel sind zwar hoch, haben aber nicht zu einer Verringerung der Emissionen geführt, so ein neuer Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Die öffentliche Agrarförderung hat ein Rekordniveau erreicht. Hintergrund sind die staatlichen Maßnahmen, um Verbraucher:innen und Erzeuger:innen vor den Auswirkungen der Coronapandemie und anderer Krisen zu schützen, so das Ergebnis einer neuen OECD-Studie. Nur ein geringer Teil dieser Stützungsmaßnahmen fließt in längerfristige Bemühungen zur Bewältigung des Klimawandels und anderer Herausforderungen in den Nahrungsmittelsystemen.

Die Studie Agricultural Policy Monitoring and Evaluation 2022 zeigt, dass die 54 untersuchten Länder – darunter alle OECD- und EU-Länder sowie elf wichtige aufstrebende Volkswirtschaften – im Zeitraum 2019-2021 im Schnitt 817 Mrd. US-Dollar jährlich für die Förderung der Landwirtschaft bereitgestellt haben. Das ist ein Zuwachs um 13 Prozent gegenüber den für den Zeitraum 2018-2020 ausgewiesenen 720 Mrd. US-Dollar. Die Stützungsmaßnahmen sind in den OECD-Ländern auf hohem Niveau geblieben und in den elf aufstrebenden Volkswirtschaften deutlich gestiegen.

Zwar kommt auch den Verbraucher:innen ein Teil der Förderung zugute, 611 Mrd. US-Dollar jährlich entfielen im Zeitraum 2019-2021 jedoch auf die Unterstützung der einzelnen Erzeuger:innen. Das entspricht 17 Prozent der Bruttoeinnahmen der Landwirtschaft im OECD-Raum bzw. 13 Prozent der Einnahmen in den elf aufstrebenden Volkswirtschaften. Mehr als die Hälfte dieser Erzeugerstützung (317 Mrd. US-Dollar jährlich) wurde über die von den Verbraucher:innen gezahlten höheren Marktpreise erbracht, der Rest (293 Mrd. US-Dollar jährlich) über steuerfinanzierte Haushaltstransfers.

Demgegenüber werden die Preise bestimmter oder sogar aller Agrarerzeugnisse in einigen wenigen aufstrebenden Volkswirtschaften durch Politikmaßnahmen gedrückt. Dadurch kommt es zu einem umgekehrten Transfer in Höhe von 117 Mrd. US-Dollar jährlich zu Lasten der Agrarproduzent:innen.

Auch wenn der Umfang der Stützungsmaßnahmen insgesamt gestiegen ist, ist der Anteil der allgemeinen Dienstleistungen für die Landwirtschaft wie Innovationen, biologische Sicherheit oder Infrastruktur 2019-2021 auf 13 Prozent der Förderung für den Sektor gesunken. 20 Jahre zuvor hatte er noch bei 16 Prozent gelegen. Diese Dienstleistungen sind entscheidend, um ein höheres nachhaltiges Produktivitätswachstum zu erzielen und damit die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft zu verringern. Die Studie hebt hervor, dass der Agrarsektor im Hinblick auf den Klimawandel vor einer komplexen Herausforderung steht: Er ist einerseits sehr anfällig gegenüber dessen Effekten, andererseits verursacht er selbst einen hohen Treibhausgasausstoß, hat aber auch das Potenzial, CO2 aus der Atmosphäre zu binden.

„Die öffentliche Agrarförderung hat ein Rekordniveau erreicht, aber der Anteil der für die Steigerung eines nachhaltigen Produktivitätswachstums bereitgestellten Mittel ist gesunken“, so die Leiterin der OECD-Direktion Handel und Landwirtschaft Marion Jansen. „Das ist kein gutes Signal. Das nachhaltige Produktivitätswachstum muss deutlich gesteigert werden, um die Herausforderungen zu bewältigen, mit denen sich die Nahrungsmittelsysteme konfrontiert sehen, und zugleich die Emissionen des Agrarsektors auf Kurs zu halten, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen. Ich gehe davon aus, dass diese Herausforderung bei der nächsten OECD-Tagung der Agrarminister:innen im November weit oben auf der Tagesordnung stehen wird.“

Da die russische Invasion in der Ukraine erhebliche Auswirkungen auf die Märkte für Lebens-, Futter- und Düngemittel sowie Energie hat, werden die Politikverantwortlichen die Auswirkungen auf Niedrigeinkommensländer und Verbraucher:innen wachsam im Auge behalten müssen. Mehrere Länder setzen bereits politische Maßnahmen um, die den aufkommenden Druck auf die Erzeuger:innen und Verbraucher:innen abfedern sollen. Während einige Maßnahmen, beispielsweise die Reduzierung von Einfuhrbeschränkungen, die Nahrungsmittelversorgung verbessern, sind andere unter Umständen kontraproduktiv. Ausfuhrbeschränkungen treiben die Preise in die Höhe und verknappen das Angebot und sollten daher vermieden beziehungsweise zügig abgebaut werden. Die Lockerung von Umweltauflagen, um die inländische Produktion anzukurbeln, könnte laut der Studie zudem prozyklische Effekte haben und zu Lasten der Nachhaltigkeit gehen.

Über die heutigen kurzfristigen Reaktionen auf die weltweiten Krisen hinaus muss die Agrarpolitik die gegenwärtigen Herausforderungen bewältigen und zugleich langfristige Reformen zur Bekämpfung des Klimawandels unterstützen. Von den 54 in der Studie untersuchten Ländern haben nur 16 landwirtschaftsspezifische Emissionsreduktionsziele festgelegt, die die Bemühungen zur Emissionsminderung unterstützen und die Fortschritte messen können. Dabei verfügen die Länder über zahlreiche Möglichkeiten, die Emissionen im Agrarsektor  stärker und rascher zu senken, beispielsweise durch die Überarbeitung bestehender Maßnahmen, die den Treibhausgasausstoß womöglich erhöhen.

Die Studie schlägt einen Sechs-Punkte-Plan vor, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und zugleich allgemeinere Ziele des Nahrungsmittelsystems im Zusammenhang mit Ernährungssicherheit, Sicherung der Existenzgrundlagen und Nachhaltigkeit zu erreichen:

  • Schrittweiser Abbau von Marktpreisstützung und Zahlungen, bei denen das Risiko groß ist, dass sie die Umwelt belasten sowie die Märkte und den Handel verzerren
  • Neuausrichtung von Finanzhilfen, um öffentliche Güter und wichtige allgemeine Dienstleistungen bereitzustellen und damit die Ergebnisse des Agrarsektors zu verbessern
  • Ausrichtung der Leistungen zur Einkommensstützung auf die bedürftigsten Haushalte
  • Verbesserung des Instrumentariums, das die Resilienz in einer von vielfältigen Risiken und zunehmenden Extremwetterereignissen geprägten Welt gewährleisten soll
  • Einführung eines effektives Preissystems für Treibhausgasemissionen des Agrarsektors, um Anreize für den Übergang zu einer emissionsarmen Landwirtschaft zu schaffen
  • Entwicklung eines Maßnahmenpakets zur deutlichen Emissionsminderung in dem Sektor bzw. überall dort, wo die Landwirtschaft nicht in die allgemeine CO2-Bepreisung oder ein gleichwertiges System eingebunden ist beziehungsweise diese ergänzt

Über die Studie

Die jährlich erscheinende OECD-Studie Agricultural Policy Monitoring and Evaluation enthält aktuelle Schätzungen zur staatlichen Agrarförderung für alle 38 OECD-Mitgliedsländer und die Europäische Union als Ganzes sowie wichtige aufstrebende Volkswirtschaften.

Weiterführende Informationen

Die OECD ist ein globales Forum, das mit über 100 Ländern zusammenarbeitet. Sie tritt ein für eine Politik, die die individuellen Freiheiten wahrt und das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen der Menschen weltweit fördert.

Source

OECD, Pressemitteilung, 2022-06-23.

Supplier

Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD)

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