In einem Presse-Workshop des VDA haben die deutschen Automobilhersteller DaimlerChrysler, Volkswagen und Ford heute in Berlin ihre Zukunftskonzepte für alternative Kraftstoffe und Antriebe vorgestellt.
“Die Zeit ist reif dafür. Teureres Öl rückt alternative Energie näher an die Wirtschaftlichkeit. Wir wollen jetzt unsere Abhängigkeit von fossiler Energie reduzieren. Nachhaltige Mobilität braucht eine nachhaltige Energiebasis”, sagte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Prof. Dr. Bernd Gottschalk, auf dem Presse-Workshop, auf dem Dr. Thomas Weber, Mitglied des Vorstands der DaimlerChrysler AG, verantwortlich für die konzernweite Forschung und die Pkw-Entwicklung der Mercedes Car Group, Bernhard Mattes, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH, Dr. Franz-Josef Paefgen, Generalbevollmächtigter Konzernforschung der Volkswagen AG, über ihre Aktivitäten im Bereich alternativer Kraftstoffe und Antriebe berichteten.
“Kernbestandteil ist die Initiative unserer Industrie, die fahrzeugtechnischen Voraussetzungen für eine Erhöhung der Beimischung von Biodiesel zum herkömmlichen Diesel und von Ethanol zu Benzin auf 10 Prozent zu schaffen. Damit sind wir anspruchsvoller als das EU-Ziel einer Beimischung von regenerativen Kraftstoffen von 5,75 Prozent bis 2010”, erklärte VDA-Präsident Prof. Gottschalk. “Wir wollen die Weichen dafür stellen, dass die Nutzung von Biokraftstoffen im Straßenverkehr erhöht und der bisher erfolgreiche Prozess der Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs – seit Ende der 70er Jahre um 40 Prozent und seit 1990 um 25 Prozent – sinnvoll ergänzt wird”, so Prof. Gottschalk.
“Wir arbeiten daran, die heutigen Otto- und Dieselmotoren weiter zu optimieren. Sie bleiben vorerst die wichtigsten Antriebsaggregate unserer Fahrzeuge”, so Dr. Weber von DaimlerChrysler. Dem Diesel komme bei der CO2-Reduzierung eine herausragende Bedeutung zu. Wenn der Fahrzeugbestand in Deutschland nur um einen einzigen Prozentpunkt mehr Diesel aufwiese, hätten wir Einsparungen, mit denen rein rechnerisch 100.000 Pkw ein Jahr lang ohne Sprit fahren könnten, erläuterte Prof. Gottschalk. “Wenn der Dieselanteil in Deutschland so groß wäre wie in Frankreich, würde das eine CO2-Einsparung von fast 5 Mio. Tonnen bringen. Wer den Klimaschutz ernst nimmt, kommt am Diesel nicht vorbei”, so der VDA-Präsident.
Den Weg zum saubersten Diesel der Welt beschreitet DaimlerChrysler in drei Schritten, wie Dr. Thomas Weber ausführte. Zusätzlich zu innermotorischen Maßnahmen, Oxidationskatalysatoren und dem serienmäßigen Partikelfilter komme jetzt die neue Technologie BLUETEC zum Einsatz, mit der Stickoxide – der einzig verbliebene Abgasbestandteil, der heute beim Diesel konzeptbedingt noch über dem Wert von Benzinern liegt – nochmals um bis zu 80 Prozent reduziert werden könnten.
DaimlerChrysler will diese Technologie, mit der 10.000 Nutzfahrzeuge schon heute die erst 2009 verbindliche Euro 5-Norm für Nutzfahrzeuge erfüllen, künftig auch in Diesel-Pkw einsetzen. DaimlerChrysler bietet mit dem Mercedes-Benz E 320 BLUETEC ab Herbst 2006 in den USA den ersten Pkw mit BLUETEC-Technologie an.
Für Volkswagen ist die Einführung verbrauchsgünstiger Motoren ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur CO2-Reduzierung, darauf verwies Dr. Paefgen von Volkswagen: “Das jüngste Produkt aus dieser Reihe ist der Twin Charger TSI(R)-Motor, der in besonderer Weise Fahrdynamik mit Effizienzsteigerung verbindet. Ermöglicht wird dies durch Direkteinspritzung im Otto-Motor in Verbindung mit Aufladung und Downsizing.”
Neben der Effizienz seien alternative Kraftstoffe die zweite Säule des Master Plans. Gerade über biogene Kraftstoffe könne eine weitere CO2 Reduzierung realisiert werden, wichtigstes Kriterium dafür sei eine hohe CO2-Effizienz bei der Herstellung dieser Kraftstoffe, erläutert Dr. Paefgen. Paefgen: “Volkswagen setzt auf biogene Kraftstoffe der 2. Generation wie Biomass to Liquid (BtL) und Bioethanol aus Ligno-Cellulose, die beide eine CO2-Effizienz von mehr als 90 Prozent aufweisen.
In einer 10-prozentigen Beimischung kann Bioethanol schon heute in allen modernen Volkswagen-Otto-Motoren ohne weitere Anpassung der Infrastruktur eingesetzt werden. Damit ist eine sofortige Umsetzung der möglichen CO2-Reduzierungen darstellbar.” Derzeit werde in einer Kooperation von Shell, IOGEN und Volkswagen die Machbarkeit einer gemeinsamen Produktion von Zellulose-Ethanol in Deutschland überprüft.
Zukünftig würden sich synthetische Kraftstoffe aus Biomasse durchsetzen, die sowohl in Beimischung als auch als reiner Kraftstoff ohne Änderungen der Infrastruktur eingesetzt werden könnten, so Paefgen weiter. Derartige Kraftstoffe bieten zudem die Möglichkeit der Entwicklung neuer motorischer Brennverfahren wie z.B. des Combined Combustion Systems (CCS(R)) von Volkswagen. Damit sind weitere Senkungen des Verbrauchs und der Emissionen möglich. Volkswagen entwickelt die notwendigen Anlagen gemeinsam mit DaimlerChrysler, Shell und Choren Industries.
Eine weitere Option für Ford seien, so Ford-Chef Bernhard Mattes, Bio-Ethanol-Fahrzeuge, so genannte Flex-Fuel-Fahrzeuge. Sie sind seit Ende des vergangenen Jahres auch in Deutschland auf dem Markt. Den hauptsächlichen Vorteil von Bio-Ethanol sieht Mattes in der Verringerung der CO2-Emissionen. Die CO2-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus (Well-to-wheel) betrachtet liege bis zu 80 Prozent unter der von Benzinern. “Der Ford Focus und der Ford Focus C-MAX mit Bio-Ethanol-Antrieb leisten somit einen wichtigen Beitrag zu nachhaltiger Mobilität. Damit diese Technologie auch beim Kunden Akzeptanz findet, ist allerdings ein Ethanol-Tankstellennetz in Deutschland unabdingbar”, betonte er.
Neben Biokraftstoffen bleibt auch Erdgas eine Antriebsart mit Zukunftspotenzial. Beispiele für bereits serienreife und auf dem Markt erhältliche Fahrzeuge mit alternativen Antrieben findet man in der Ford-Modell-Palette seit vielen Jahren, z.B. den Ford Focus C-MAX CNG oder den Ford Transit CNG. Bernhard Mattes: “Erdgas ist eine interessante “grüne” Brückentechnologie, mit der bis zu 25 Prozent CO2-Einsparung gegenüber herkömmlichen Ottomotoren realisiert werden kann.”
Prof. Gottschalk hält daher die Weichenstellungen der vorigen Bundesregierung, steuerliche Rahmenbedingungen bis 2020 zu setzen – nicht zuletzt im Interesse der langfristigen Planbarkeit für Fahrzeugentwickler und Fahrzeugnutzer – weiterhin “für vernünftig”. Alle Investitionen seien auf dieser Basis geplant worden. Auch Opel habe hier eine führende Rolle.
Der in der Politik diskutierte Wechsel von der Förderung zur Zwangsbeimischung von Biokraftstoffen, mit der letztlich vor allem auf Haushaltsengpässe reagiert werden solle, würde nach Ansicht des VDA-Präsidenten zu einem weiteren Anstieg der Kraftstoffpreise mit allen Konsequenzen für eine bezahlbare Mobilität führen. Der Zeitpunkt, über Zwangsbeimischung nachzudenken, sei angesichts der noch geringen Produktionsmengen von Biokraftstoffen heute und einer Versorgungsstruktur, die gerade im Aufbau ist, verfrüht.
Im Gegenteil sollten Investoren ermutigt werden und Verbraucher einen Anreiz erhalten, bis stabile Rahmenbedingungen gegeben sind. Die deutsche Automobilindustrie plädiere daher für eine überschaubare Zeit für eine Fortsetzung der steuerlichen Förderung von Biokraftstoffen, um den Start in dieses Zeitalter nicht zu gefährden. “Was Erdgas recht ist, sollte Biodiesel, Ethanol, BTL oder GTL billig sein”, so Prof. Gottschalk. Dabei sollte die Förderung grundsätzlich an der Umwelt- sprich CO2-Performance der einzelnen Kraftstoffe orientiert werden.
Einer möglichen Überförderung mit der Folge von Fehlallokationen von Investitionen gelte es entgegenzutreten. Ein einmal begonnener Weg in Richtung regenerativer Energien dürfe aber andererseits nicht durch kurzfristige fiskalische Kehrtwendungen wieder in Frage gestellt werden. Hier müssten, so Prof. Gottschalk, klare politische Prioritäten gesetzt werden, energiepolitisch durch das Bekenntnis, den höheren Anteil von Biokraftstoffen wirklich zu wollen und wirtschafts- und strukturpolitisch durch die Entschlossenheit, einen höheren Anteil der Energieversorgung wettbewerbsfähig aus der heimischen Landwirtschaft zu realisieren und ein Stück unabhängiger zu werden.
Prof. Gottschalk: “Wir können die 10-Prozent-Beimischung noch so stark propagieren, ohne flankierende Unterstützung der beteiligten Partner – von der Agrarwirtschaft über die Fahrzeugindustrie, von der Mineralölindustrie über den Finanzminister bis zum Kunden – werden wir sie nicht erreichen.”
Die dritte Säule des “Masterplans für die Zukunft” bilden alternative Antriebe. Hier verfolge die deutsche Automobilindustrie eine “Fächerstrategie” mit einer Reihe von Optionen. Eine davon sei der Hybrid. Prof. Gottschalk: “Wir sind über das Stadium der Diskussion, wer Erster und wer Zweiter war, längst hinaus. Wir halten den Hybrid für mehr als eine Mode, aber für weniger als ein Allheilmittel.” Dafür habe der Diesel auf langen Strecken einfach zu große Vorteile, von den Kosten ganz zu schweigen. Hier werde ein interessantes Rennen um die Gunst der Kunden und die wahren ökologischen Qualitäten erwartet. “Zum Schluss wird abgerechnet, nicht heute”, so der VDA-Präsident. “Die deutschen Hersteller werden mit milden und vollen Hybriden dabei sein, und zwar nicht halbherzig, sondern beherzt.”
Alle Anstrengungen müssen darauf gerichtet werden, die Brücke ins Wasserstoffzeitalter, das allerdings nicht vor 2020 beginnen werde, zu errichten. DaimlerChrysler sammelt bereits mit über 100 Brennstoffzellenfahrzeugen im weltweiten Einsatz Erfahrungen, um diese viel versprechende Technologie zur Marktreife zu bringen. Bis dahin müssten, wie Gottschalk, Paefgen, Mattes und Weber betonten, viele unterschiedliche Wege beschritten und alle Akteure einbezogen werden, um auf dem langen Weg “weg vom Öl” voran zu kommen. Gottschalk zeigte sich davon überzeugt, dass dies für die Umwelt, die nachhaltige Mobilität und auch die beteiligten Partner zu einer “win-win-win-Situation” werden könne.
Die deutsche Automobilindustrie verfüge über attraktive Zukunftstechnologien, bekräftigten der VDA-Präsident und die drei Unternehmensvertreter einhellig. Für die Branche, die in Deutschland mit Abstand die höchsten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen tätige, an der jeder siebte Arbeitsplatz hänge, würden damit nicht nur neue Wachstums- und Beschäftigungspotenziale am Standort Deutschland, sondern vor allem eine Initiative zur langfristigen Sicherung der Mobilität ausgelöst. Prof. Gottschalk: “Eine langfristig angelegte Energie- und Mobilitätspolitik ist eine Investition in die Zukunft: Sie braucht den Mut zur konsequenten Entscheidung; sie mag anfangs Geld kosten; doch langfristig sichert sie die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und unserer Gesellschaft.”
Rückfragen:
Eckehart Rotter
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Manuela Höhne
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E-Mail: hoehne@vda.de
Source
Presseportal news aktuell vom 2006-02-17.
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