Vorerst bis 2009 ist “Biodiesel” in Deutschland von der Mineralölsteuer befreit. Außerdem will die EU-Kommission, dass schon 2010 fast 6% des gesamten Kraftstoffbedarfs der 25 Mitgliedsstaaten mit aus Pflanzen gewonnenen Kraftstoffen gedeckt werden. Rosige Zeiten für die Biodiesel-Hersteller? Nein, denn die Branche sieht dennoch in eine ungewisse Zukunft.
Die Ware wird jetzt schon knapp, sehr knapp”. Reinhard Dreimann, Prokurist der Bremer Diersch & Schröder (D&S) Mineralöl GmbH, beklagt ein bittersüßes Dilemma, in dem sich die Hersteller und Händler von Rapsmethylester (RME) – landläufig fälschlich als Biodiesel bezeichnet – derzeit befinden: Die Nachfrage nach RME übersteigt die vorhandenen Kapazitäten.
Auslöser der Verknappung des Pflanzendiesels sind die großen Mineralölkonzerne. Seit einigen Wochen mischen u.a. Shell/DEA, BP/Aral und Total/Elf/Fina herkömmlichem Diesel bis zu 5% “Ackerdiesel” bei. Das allerdings nur punktuell, weil zu wenig davon lieferbar ist. Wollten sie flächendeckend 5% beimischen, bräuchten die Ölkonzerne in Deutschland knapp 1,5 Mio. t RME jährlich.
Die Kapazität deutscher RME-Hersteller liegt derzeit knapp über 1 Mio. t – und lässt sich auch nicht beliebig ausweiten. Die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) beziffert die Raps-Anbaufläche aktuell auf 1,3 Mio. ha. Der Grenzwert der ökologischen Vertretbarkeit liegt nach Angaben von UFOP bei 1,8 Mio. ha.
Nicht nur vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob und wie sich eine EU-Richtlinie umsetzen lässt, nach der Pflanzenkraftstoffe 2005 schon 2% des EU-Kraftstoffbedarfs decken sollen – und in fünf Jahren sogar 5,75%. Denn in allen anderen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft zusammen wird kaum mehr RME produziert als in Deutschland allein.
Um Kapazitäten für den gesamt europäischen Bedarf zu schaffen, stünden also gewaltige Investitionen an. Doch dabei ist Vorsicht geboten. Zwar ist RME bisher als einziger Bio-Kraftstoff in großer Menge verfügbar, doch mit Bioethanol und sogenannten Biomass-to-Liquids (BtL) Kraftstoffen stehen zwei Konkurrenten vor dem Markteintritt, die der Biodiesel-Branche künftig die Rohstoffbasis streitig machen könnten.
Beide Biodiesel-Konkurrenten versprechen den Landwirten, die heute Raps auf ihren Stilllegungsflächen anbauen, höhere Erträge und Gewinne je Hektar. Dazu werden Bioethanol und BtL genau wie RME von der Mineralölsteuerbefreiung profitieren, mit der die deutsche Bundesregierung Pflanzenkraftstoff in den Verkehr bringen will.
Im Vergleich zieht RME hier klar den Kürzeren: weil Bioethanol zu Ottokraftstoffen gemischt wird, sind damit 65 ct/l Steuern zu sparen, mit RME gegenüber Diesel dagegen nur 47 ct/l . Zudem kostet RME ab Werk rund 60 ct/l, während Bioethanol schon ab 35 ct/l zu haben ist.
Ob die Biodiesel-Branche ihre langfristigen strukturellen Schwierigkeiten lösen kann, bleibt unklar. Schon heute steigen die Preise von Rapsöl schneller als erwartet. Neben den hohen Rohstoffpreisen müssen die Hersteller auch den enormen Preisverfall beim Glycerin (einem Produkt der Veresterung) kompensieren. Dessen Verkauf ist eine wichtige Stütze in den Kalkulationen vieler Hersteller.
Doch weil der Glycerinmarkt nicht mit der RME-Produktion wächst, brechen die Preise bereits ein. Einer der größten Biodiesel- Hersteller, die Nevest AG aus Schwarzheide (Brandenburg), musste deshalb Ende 2003 schon Insolvenz beantragen. Nach eigenen Angaben hatte man sich im Glyceringeschäft völlig verkalkuliert: statt 1.000 €/t ließen sich zuletzt nur noch 500 €/t erzielen.
Trotz der Riesennachfrage nach Biodiesel und den guten gesetzlichen Rahmenbedingungen findet sich bis jetzt niemand, der die Nevest-Großanlage mit Jahreskapazität von 100.000 t RME übernehmen will. Wegen der engen Gewinnmargen werde sich so schnell auch kein Käufer dafür finden, vermutete ein Brancheninsider.
(Vgl. Meldungen vom 2004-05-24, 2004-03-16 und 2004-03-01.)
Source
VDI nachrichten vom 2004-05-14.
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