Lignine lassen Pflanzen Richtung Sonne wachsen und sorgen gleichzeitig für die Abwehr von Fressfeinden. Ein detailliertes Verständnis der biochemischen Prozesse der Ligninherstellung ist vom Pflanzenschutz über die Pharmazie bis zur Biomasseverwertung in vielen Bereichen von großem Interesse. Ein Forscherteam der TU Graz hat jetzt gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von Uni Graz und acib gezeigt: ein bestimmtes Enzym ist der Schlüssel zur Ligninproduktion der Pflanzen. Damit richtet sich die Aufmerksamkeit der internationalen Fachwelt für Naturstoffsynthese auf eine ganz neue Enzymfamilie. Die Ergebnisse wurden im „Journal of Biological Chemistry“ publiziert.
Selbst das kleinste Unkraut hat großen Nutzen – so zum Beispiel die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). Anhand dieser Modellpflanze der Pflanzenforschung ist einer Grazer Biochemiegruppe ein Durchbruch in der Biosynthese des pflanzlichen „Stahlbetons“ Lignin geglückt. Peter Macheroux hat gemeinsam mit seinem Team vom Institut für Biochemie der TU Graz und unter Mitwirkung der Uni Graz und des Kompetenzzentrums acib ein Enzym namens Berberine Bridge Enzyme, kurz BBE, als zentralen Schlüssel der Ligninproduktion von Pflanzen identifiziert.
Enzym ermöglicht Lignin-Produktion
BBE wurde erst vor einigen Jahren ebenfalls von einem Grazer Team rund um Macheroux im kalifornischen Goldmohn nachgewiesen. Auch die zentrale Rolle von BBE im Alkaloidstoffwechsel der Pflanzen – Alkaloide sind eine pharmazeutisch besonders interessante Gruppe pflanzlicher Wirkstoffe – war bald entdeckt. „Seither wurde durch Sequenzierarbeiten weltweit in derart vielen Pflanzen BBE gefunden, dass wir davon ausgehen, dieses Enzym in so gut wie allen Pflanzen aufzufinden“, erklärt Peter Macheroux. Auffällig ist aber: Die Alkaloidproduktion ist ein Sekundärstoffwechsel, das heißt, im Gegensatz zur Photosynthese eben nur bestimmten und nicht allen Pflanzen eigen. „Wir mussten uns daher die Frage stellen: „Wieso haben auch nicht-alkaoidproduzierende Pflanzen jene Gene, die das Enzym BBE kodieren?“, so Macheroux. Obwohl BBE im Pflanzenreich extrem verbreitet ist, wusste die Forschung so gut wie nichts über ihre biochemischen Funktionen. Mit modernsten biochemischen Methoden hat das Grazer Team nun zwei Proteine der BBE-Familie separiert und untersucht. Das Ergebnis: Erst dank BBE können Pflanzen jene Biopolymere produzieren, die für Verholzung zuständig sind und Pflanzen Richtung Sonne wachsen lassen – Lignin.
Relevant für Pharmazie, Landwirtschaft und Biomasseverwertung
„Viele Aspekte der Ligninbiosynthese sind uns noch unbekannt. Wir wissen aber: Zellwandbiosynthese ist immer auch verbunden mit der Abwehr von Feinden. Lignin ist also nicht nur der Antrieb Richtung Sonne, sondern auch ein natürlicher Pflanzenschutz. Die Bildung von Lignin ist ein unglaublich komplexer Prozess, in dem viele Rädchen in einander greifen müssen, damit er reibungslos funktioniert. Und wir wissen nun, dass die BBE-Familie eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielt“, unterstreicht Macheroux die Bedeutung des Ergebnisses. Das Resultat ist nicht nur evolutionsbiologisch und pharmazeutisch sehr interessant: „Neben der pharmazeutischen Gewinnung und Verwendung pflanzlicher Wirkstoffe ist auch der landwirtschaftliche Pflanzenschutz ein Thema. Mit mehr Detailkenntnis über Lignin könnte man außerdem künftig Biomasse besser verwerten“, betont der Biochemiker. Aufbauend auf diese Ergebnisse widmet sich sein Team nun „in planta“-Versuchen: Sie schalten ganz gezielt BBE-Gene aus und beobachten die konkreten Auswirkungen auf die Pflanzen. Schon jetzt bestätigen die laufenden Untersuchungen: BBE beeinflusst die Ligninproduktion.
Zur Originalpublikation
„Oxidation of Monolignols by Members of the Berberine Bridge Enzyme Family Suggests a Role in Plant Cell Wall Metabolism“
The Journal of Biological Chemistry, Vol. 290, Issue 30, 18770-18781, July 24, 2015. ARTICLE #10.1074/jbc.M115.659631
http://www.jbc.org/content/early/2015/06/02/jbc.M115.659631.abstract
Bastian Daniel; Barbara Steiner; Silvia Wallner; Peter Macheroux; Alexander Gutmann; Bernd Nidetzky; Christoph W. Sensen (Graz University of Technology)
Tea Pavkov-Keller; Andela Dordic; Karl Gruber (University of Graz)
Tea Pavkov-Keller; Andela Dordic (ACIB GmbH)
Eric van der Graaff (Copenhagen University)
Diese Arbeit ist im Field of Expertise „Human & Biotechnology“ der TU Graz, sowie im Forschungsschwerpunkt „Molekulare Enzymologie und Physiologie“ der Universität Graz verankert und erfolgte somit im Rahmen der interuniversitären Kooperation NAWI Graz.
Kontakt
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.rer.nat. Peter Macheroux
Institut für Biochemie
Tel.: +43 316 873 6450
E-Mail: peter.macheroux@tugraz.at
Source
Technische Universität Graz, Pressemitteilung, 2015-08-27.
Supplier
Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB)
Graz University of Technology
The Journal of Biological Chemistry
University of Graz
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