Von der Theorie in die Praxis: Die an der Cottbuser Universität entwickelte und patentierte zweistufige Biogas-Anlage von Professor Günter Busch und seinem Forscherteam sorgte bereits vor gut einem Jahr bundesweit für Aufmerksamkeit in der Fachwelt. Nun soll die Anlage in Altdöbern (Oberspreewald-Lausitz) erstmals in die Praxis umgesetzt werden.
Eine Hand voll regionaler Unternehmen hat sich dafür zusammengefunden und bereits neue Arbeitsplätze geschaffen. Im Sommer soll das Biokraftwerk stehen. Interesse weckt das auch im Ausland.
Den Beteiligten schwebt ein Biogas-Kompetenzzentrum für Südbrandenburg vor. Ziel ist es, von Altdöbern aus die neue Technologie zu vermarkten und weiterzuentwickeln. “Ein auf wirtschaftlicher Grundlage und von der Basis entwickeltes Feld”, schwärmt der Professor.
Der Anfang ist gemacht. Fünf Partner haben sich zusammengetan. Neben dem Lehrstuhl für Abfallwirtschaft der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU), der die Verfahrensidee liefert, sind das: die Agrar GmbH Altdöbern – der Biomasselieferant, das Ingenieurbüro Gicon GmbH mit neuer Niederlassung in Altdöbern – die Vermarkter und Techniker, die Landwirtschaftliche Beratung der Agrarverbände Brandenburg (LAB) GmbH – die Marketingfachleute und die Gesellschaft für Anlagenbau (GfA) GmbH Guben – die Apparatebauer.
Auf Unterstützung hoffen die Beteiligten für das Zwei-Millionen-Euro-Projekt vom Land Brandenburg. Der Fördermittelbescheid ist nach Auskunft der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) eingegangen und wird bearbeitet. Die Kosten bewegten sich in diesen Dimensionen, weil es sich bei dem Biokraftwerk um eine Referenzanlage handelt.
Busch erklärt: “Dabei geht es neben der Gasproduktion vor allem um die Optimierung der technologischen Prozesse. Dafür sind aufwändige Messprogramme und -instrumente notwendig.” So hoffen die Ingenieure und Wissenschaftler, die beim Verfahren anfallende Flüssigkeitsmenge von derzeit rund 1.500 Kubikmetern auf 60 bis 75 Prozent zu reduzieren und dabei gleichzeitig Leistung sowie Ertrag zu erhöhen. “Ein Prozent mehr ist ja viel”, sagt Günter Busch.
In Altdöbern soll Mais zu Strom werden. Die Anlage wird ein Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von rund 500 Kilowattstunden mit Gas beliefern. “Je nach Standort und Anforderung können auch mehrere der Anlagen parallel geschaltet werden”, erklärt der Wissenschaftler.
Die Standardausstattung des neuen Biogaskraftwerkes umfasst drei Perkolatoren – das sind im Grunde drei Meter hohe Waschmaschinen, in denen von den festen Pflanzenstoffen die löslichen Substanzen getrennt werden (Hydrolyse). Anschließend kommt diese Flüssigkeit in den zwölf Meter hohen Biogasreaktor, wo die gelösten Fettsäuren von Bakterien in Methangas umgewandelt werden (Methanisierung).
Zwei Stufen und viele Vorteile
Das Besondere an der neuen Anlage ist die Zweiteilung. Bei dem herkömmlichen Verfahren laufen Hydrolyse und Methanisierung parallel. “Das macht die Anlagen hochkompliziert und anfällig”, so der Professor. Durch die Teilung wird außerdem der ganze Prozess per Ventil regulierbar. “Damit ist ein Biokraftwerk erstmals in der Lage auf Anforderung des Stromnetzbetreibers zu produzieren, um Netzschwankungen auszugleichen”, erklärt Busch. Auch die Leistung ist viel größer als in den bisherigen Biogaskraftwerken. “Für die Verarbeitung von Mais brauchen normale Anlagen zwischen 60 und 120 Tagen. Wir produzieren die gleiche Menge Biogas in zwölf bis 15 Tagen”, sagt der Fachmann.
Energie aus Müll in Brasilien
Obwohl das Biokraftwerk noch nicht einmal steht, ist das Interesse an dem neuen Verfahren sehr groß. Neben der Schradenbiogas GmbH (Elbe-Elster) aus der Region, kommen auch Anfragen aus dem Ausland. In Brasilien könnte mit dem BTU-Verfahren das Müll-Problem in den Griff bekommen werden. “Der Bioanteil im Hausmüll beträgt dort über 60 Prozent”, sagt der Abfall-Experte. Die Reststoffe kommen auf die Deponie und bilden dort kein Methan mehr, das als eines der größten Klimakiller gilt. Diesbezüglich gebe es außerdem Kontakte nach Thailand.
Selbst von der Karibikinsel Martinique kommen Anfragen. “Dort fehlen die transportablen Energieträger und das Biogas kann aufbereitet auch als Treibstoff genutzt werden”, erklärt Busch. Der Querdenker zeigt sich zufrieden, denn das führt auch zu unverhofften Verknüpfungen innerhalb der BTU. So arbeitet der Lehrstuhl für Abfallwirtschaft seit Neuestem mit den Kraftfahrzeugstechnikern zusammen.
Energie aus Biomasse
Die Stromerzeugung aus Bioenergieträgern belief sich im Jahr 2004 auf rund 9,4 Milliarden Kilowattstunden und erreichte damit einen Anteil am Stromverbrauch von 1,6 Prozent.
Nach Angaben des Fachverbandes Biogas wurden 2005 bundesweit fast 700 neue Anlagen gebaut. Für 2006 rechnet der Verband mit ungefähr 1.000 Neubauten.
Source
Lausitzer Rundschau Online vom 2006-02-24.
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