Österreich: Neuer Schwung für Biodiesel

Großanlagen schießen aus dem Boden, EU-Richtlinie fördert Biotreibstoffe

Im kärntnerischen Arnoldstein geht dieser Tage eine der größten Biodieselanlagen Österreichs in Betrieb. In England wird bald die größte Biodieselanlage der Welt errichtet, wobei die Technologie aus Österreich kommt. Und eine EU-Richtlinie, die vor kurzem veröffentlicht wurde, soll dafür sorgen, dass der Biotreibstoffverbrauch angekurbelt wird. Sogar über die Verwendung des bei uns bisher völlig vernachlässigten Bioethanols – Alkohol, der in Benzin betriebenen Fahrzeugen zum Einsatz kommt –, wird hierzulande nachgedacht. Doch der Weg zu einem breiten Gebrauch von Treibstoffen, die aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden, ist noch weit.

Dabei sind die Vorteile von Biodiesel gegenüber mineralischem Diesel vielfältig: Es werden weniger Schadstoffe (vor allem Schwefel und Ruß) ausgestoßen, die Emission von CO2 sinkt ebenso wie die Abhängigkeit vom Erdöl, der Problemstoff Altspeiseöl wird in einen hochwertigen Kraftstoff umgewandelt und auch die regionale Wirtschaft wird – vor allem bei Kleinanlagen – belebt.

Österreich kann sich einer Vorreiterrolle rühmen, denn die Geburtsstunde dieses aus Pflanzenöl (in Mitteleuropa wird hauptsächlich Raps verwendet), Altspeiseöl oder Tierfett hergestellten Treibstoffes schlug 1981 in der Steiermark. In manchen Bereichen ist unser Land sogar weltweit Ton angebend: die hierzulande erzeugte Qualität braucht keinen Vergleich zu scheuen und heimische Unternehmen sind Weltmarktführer im Design, Engineering und Bau von Biodieselanlagen.

Dennoch wird im Verhältnis zum gesamten Dieselverbrauch (rund ein Prozent) und zum gesamten Spritverbrauch (rund 0,7 Prozent) weniger Biodiesel verfahren als etwa in Frankreich oder Deutschland. 5,75 Prozent bis 2010 Jetzt soll eine Mitte Mai veröffentlichte EU-Richtlinie zur Förderung der Verwendung von Biotreibstoffen auch in Österreich für neuen Schwung sorgen: Der Anteil der Biotreibstoffe am Gesamttreibstoffverbrauch soll sich bis Ende 2005 auf zwei Prozent und bis Ende 2010 auf 5,75 Prozent erhöhen. (Vgl. Meldung vom 2003-05-09.)

Mit welchen Mitteln die EU-Vorgaben umgesetzt werden, ist nach Auskunft des Büros von Landwirtschaftsminister Josef Pröll noch offen. Zur Auswahl stehen erstens die Forcierung des Status Quo – also die Abgabe von reinem Biodiesel –, zweitens die Beimischung von Biodiesel zu mineralischem Diesel und drittens (das wäre ebenfalls neu) die Verwendung von Bioethanol in Benzinmotoren – zum Beispiel in Form eines Antiklopfmittels.

Als Vorreiter für die Abgabe von reinem Biodiesel gilt Deutschland: Eine weit höhere Mineralölsteuer als in Österreich verbunden mit einer zusätzlich eingeführten Ökosteuer sorgte für derart hohe Benzin- und Dieselpreise, dass der von diesen Steuern befreite Biodiesel spürbar billiger angeboten werden kann (vgl. Meldung vom 2002-04-24.). In Österreich gilt zwar ebenso die Mineralölsteuerbefreiung auf Biodiesel, die hohen Herstellungskosten würden dadurch aber nicht ausgeglichen, beklagen einheimische Biodiesel-Hersteller. Die im heimischen Budgetbegleitgesetz vorgesehene Erhöhung der Mineralölsteuer um zwei Cent pro Liter wird daran wohl nichts ändern.

Einen anderen Weg als Deutschland wählte Frankreich: Hier wird zwar viel Biodiesel verbraucht, da dieser aber ausschließlich beigemischt wird (bis zu fünf Prozent), ist er als eigenständiges Produkt nicht erkennbar. In Österreich ist die – bisher nicht erfolgte – Beimischung von Biodiesel und Bioethanol bis zu zwei Prozent steuerfrei. Das sei zu wenig, meint Heinz Kopetz, Vorsitzender des Österreichischen Biomasse Verbandes: “Wir urgieren die Steuerbefreiung auch bei höheren Beimengungen, ansonsten wird Österreich, was die EU-Richtlinie betrifft, unter Zugzwang geraten.”

Anders sieht dies Werner Körbitz, Vorsitzender des Österreichischen Biotreibstoff Institutes (ÖBI), der sich für die Ziel gerichtete Verwendung von Biodiesel ausspricht: “Man sollte Biodiesel verpflichtend einsetzen, und zwar dort, wo er den größten Nutzen bringt.” Dies sei vor allem in Städten (geringere Emissionsbelastung für Mensch und Bauwerke) sowie in Wasserschutzgebieten (rasche Abbaubarkeit) der Fall.

Als ein Vorbild gilt die steirische Landeshauptstadt: Bei den Grazer Verkehrsbetrieben fahren bereits 40 Prozent aller Busse mit Biodiesel aus Altspeiseöl, jeder neu angeschaffte Bus kommt zu dieser “grünen Flotte” dazu.

Anlagen-Weltmarktführer

Sollte Österreich die EU-Vorgaben nicht erreichen, so wird dies sicher nicht an der mangelnden Kapazität heimischer Biodiesel-Anlagen liegen. Ende vergangenen Jahres wurde die größte Anlage Österreichs mit einer Kapazität von 40.000 Jahrestonnen in Zistersdorf bei Wien in Betrieb genommen. Und Ende Juni wird in Arnoldstein ein ebenfalls neu errichtetes Werk feierlich eröffnet: Bis Ende 2005 können hier maximal 25.000 Tonnen und danach bis zu 50.000 Tonnen produziert werden.

Zistersdorf will fast ausschließlich und Arnoldstein zur Hälfte Altspeiseöle wie Schnitzelfett verarbeiten. Diese sind zwar ob ihres billigen Beschaffungspreises sehr begehrt, die Mengen bei einem Gesamtanfall von 30.000 bis 40.000 Tonnen in Österreich (wobei natürlich nicht alles in den Sammelkreislauf kommt) allerdings begrenzt. Gebaut wurde die Anlage in Arnoldstein vom Weltmarktführer Biodiesel International (BDI), der erstmals Altspeiseöl (1994) und Tierfett (1998) industriell verarbeiten konnte und aus dem Grazer Maschinenbauunternehmen Vogel & Noot hervorgegangen ist.

Nachdem es Anfang der 90er Jahre vereinzelt noch Qualitätsprobleme gegeben hatte, “bereitet die Herstellung von Biodiesel in Normqualität heute nicht mehr Probleme als jene von Diesel”, erklärt BDI-Chef Wilhelm Hammer. “Unser Erfolg ist, dass wir Anlagen auch bauen und uns nicht nur für die Technologie verantwortlich zeigen”, spielt Hammer auf den heimischen Konkurrenten Energea an, der bei seinem Werk in Zistersdorf Probleme mit dem Anlagenbauer hatte.

Energea will mit der selbst entwickelten, kontinuierlichen Biodiesel-Technologie CTER (Continuous Trans Esterification Reactor) durchstarten, die in Zistersdorf erstmals zum Einsatz kam. Der entscheidende Vorteil hierbei liege in der Beschleunigung des Veresterungsprozesses, wodurch die Treibstoffherstellung “statt wie bisher einige Stunden nur wenige Sekunden dauert”, betont Richard Gronald von der Donauwind GmbH, die an Energea beteiligt ist.

Als weitere Vorteile werden Platz sparende Anlagen, um bis zu 50 Prozent niedrigere Investitionskosten und ein geringerer Energiebedarf genannt. Soeben konnte in England der Auftrag für das Engineering der größten Biodieselanlage der Welt (240.000 Tonnen) an Land gezogen werden. “Es hat den Anschein, dass sich diese Technologie durchsetzt”, meint Gronald. Dem widerspricht Hammer, der nach wie vor das BDI-Verfahren als das effizienteste und qualitativ beste ansieht. “Der Markt ist aber auf jeden Fall groß genug, um mehreren Firmen Platz zu bieten.”

Alkoholischer Spitzenreiter

Doch nicht nur in punkto Biodiesel-Anlagen geben österreichische Firmen den Ton an, sondern auch beim Benzin-Ersatz Bioethanol: 30 Prozent aller weltweit betriebenen Bioethanol-Anlagen werden mit der Alkohol-Technologie des Wiener Unternehmens Vogelbusch betrieben. Die weltgrößte Anlage dieser Art mit einer Kapazität von 600.000 Tonnen pro Jahr wird derzeit in Jilin, im Nordosten von China errichtet. Bioethanol wird in erster Linie zur Beimischung zu Benzin (laut Herstellerangaben risikolos bis etwa zehn Prozent) verwendet.

Um Fahrzeuge ausschließlich mit dem aus Mais, Weizen, Kartoffeln oder Zuckerrüben gewonnenen Alkohol zu betreiben, sind allerdings (wie in Brasilien der Fall) speziell konstruierte Alkoholmotoren vonnöten. In Österreich ist dieser Treibstoff aus mehreren Gründen so gut wie (noch) nicht existent: Bioethanol kann nur mit massiven Steuererleichterungen wirtschaftlich mit mineralischem Sprit konkurrieren.

Doch sind Beimischungen nur bis zwei Prozent steuerfrei und ein Reinbetrieb wie bei Biodiesel ist aus motortechnischen Gründen nicht möglich. Weiters “müssen die Anlagen sehr groß sein, um sich zu rentieren”, wie eine Sprecherin des Unternehmens zu bedenken gibt – 60.000 Tonnen pro Jahr gelten als Untergrenze. Um genügend Rohstoffe für die Alkoholerzeugung zu bekommen, seien riesige landwirtschaftliche Flächen vonnöten, die es zwar in Österreich nicht gibt, sehr wohl aber in den EU-Beitrittskandidatenländern.

Noch gibt es jedenfalls keine Bioethanol-Anlagen in Österreich. Ebenfalls auseinander gehen die Meinungen, wenn es um die ideale Dimensionierung einer Anlage geht. Die Tendenz geht eindeutig in die Errichtung großer Anlagen. Diese könnten wirtschaftlicher betrieben werden und – wenn eine große Ölmühle angeschlossen ist – mehr Öl aus der Pflanze gewinnen, meint etwa Martin Dousek, Chef der Ölmühle Bruck an der Leitha. “Ziel ist es einerseits, viel Mineralöl zu ersetzen und andererseits, eine positive Umweltbilanz zu bekommen.”

Körbitz sieht gar in der vergrößerten EU eine “Aufgabenteilung” mit Zielsetzung,Österreich als Biodiesel-Erzeugerland zu etablieren: “Östliche Länder könnten Raps und Rapsöl liefern, Österreich dies in Großanlagen zu Biodiesel verarbeiten und in andere EU-Länder wie Deutschland exportieren.”

Regionale Sicherheit

Nichts von der “großindustriellen” Biodieselerzeugung hält Karl Totter, der Geschäftsführer einer der ältesten Biodieselanlagen Österreichs, die im südsteirischen Mureck nahe der slowenischen Grenze betrieben wird. “Es ist ökologischer und volkswirtschaftlicher Unsinn, Rohstoffe von weit her zu holen und den erzeugten Biodiesel weit weg zum Endverbraucher zu führen.” Seiner Meinung nach müssen die Anlagen der Region angepasst sein – wie jene in Mureck: “Rohstoff und Wertschöpfung bleiben in der Region.”

Wenn Energieträger im eigenen Land erzeugt werden, bietet das Sicherheit. Geboren wurde die Idee bereits 1985, als drei Bauern am Biertisch feststellten: “Wir müssen das Futter (die Energie) für die Zugtiere (die landwirtschaftlichen Fahrzeuge) wieder selbst erzeugen.” 1989 wurde die Südsteirische Energie- und Eiweißerzeugung (SEEG) als bäuerliches Unternehmen gegründet. Nach der Fertigstellung der Anlage 1991, die mit der Erzeugung von Rapsmethylester (RME) begann und sich mit 5.000 Jahrestonnen Kapazität im Verhältnis klein ausnimmt, wurde hier 1994 weltweit erstmals Altspeiseöl umgewandelt.

Die Anfänge waren schwierig, “zehn Jahre waren wir die Spinner auf diesem Erdball”, blickt Totter zurück. Erst jetzt finde das Produkt – nicht zuletzt aufgrund der hohen Qualität und von Umweltschutzüberlegungen – Akzeptanz. Inzwischen wird Altspeiseöl in der gesamten Steiermark gesammelt, eine Million Kübel wurden dafür bereit gestellt.

Die SEEG hat derzeit 600 Mitglieder. Bauern liefern Raps und erhalten dafür Biodiesel und Rapskuchen, ein hochwertiges Eiweiß-Futtermittel. Und die Gastwirte und Gemeinden, die SEEG-Genossenschafter sind, lassen ihre Altspeisefette in regelmäßigen Abständen abholen und erhalten nach der Veresterung dieselbe Menge Biodiesel “zu einem billigeren Preis als Mineraldiesel” zurück. (Vgl. Meldung vom 2003-02-11.)

Große Anlagen würden oft zuerst gebaut und kümmern sich erst dann um die Beschaffung der Rohstoffe – die sie weltweit organisieren müssten. Und das so sehr begehrte Altspeiseöl sei eben begrenzt. Einen Ausbau der Murecker Anlage kann sich Totter dementsprechend nur vorstellen, wenn die zusätzliche Auslastung – zum Beispiel in Richtung Slowenien – gesichert ist.

Totter zeigt sich in vielerlei Hinsicht stolz: Zum einen, “weil dieser Treibstoff, für dessen Qualität wir die Hand ins Feuer legen, gefragt ist” und zum anderen über die erhaltene Auszeichnung des “Energy Globe Awards 2001”. Unter insgesamt 1.230 Einreichungen aus 83 Ländern in fünf Kategorien gewann die das Murecker Projekt in der Kategorie “Verkehr”.

Neben der Biodiesel-Produktion der SEEG versorgt die “Nahwärme Mureck” mit einem Biomasse-Heizwerk den 1.700-Einwohner-Ort mit Energie. Dabei sind die fünf Kreisläufe Raps – Altspeiseöl – Wärme – Strom – Holz miteinander vernetzt und es fällt kein Abfall an.

© 2003 Wiener Zeitung

(Vgl. Meldung vom 2003-05-05.)

Source

Wiener Zeitung vom 2003-06-10.

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