Nachwachsende Rohstoffe werden in Zukunft eine wachsende Bedeutung für die Energie- und Rohstoffversorgung der Menschheit bekommen. Oder besser gesagt, sie werden mehr und mehr ihre alte Bedeutung zurück gewinnen. Vor dem Zeitalter des schwarzen und des flüssigen Goldes, vor der Kohle- und Erdölära, deckten regenerative Energiequellen und nachwachsende Rohstoffe mehr als 95% des Energie- und Rohstoffhungers der, ohne Frage damals sehr viel kleineren, menschlichen Bevölkerung dieses Planeten.
Energiepflanzen und Biomasse: Energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe
Unserer Einschätzung nach werden Biomasseverbrennung und biogene Treibstoffe im Energiebereich in den nächsten 10 Jahren stark an Bedeutung gewinnen, vor allem aufgrund entsprechender wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen (z.B. Steuerbefreiung bzw. reduzierter Steuersätze) und der relativ einfachen technischen Umsetzung. Vor allem sind die „Endprodukte“ Strom, Treibstoffe und Wärme mit geringem Aufwand in bestehende Systeme zu integrieren, und um Nachfrage und Absatz braucht man sich nicht zu sorgen, so lange der Preis stimmt.
Ob dabei immer Wege beschritten werden, die im Einklang mit einer nachhaltigen Wirtschaft stehen, die ökologisch vorteilhaft und ökonomisch sinnvoll sind, ist eine andere Frage, auf die wir später noch einmal zurück kommen werden.
Den biogenen Energiemarkt sehen wir allerdings eher als einen Übergangsmarkt. Längerfristig wird aus unserer Sicht die technische Nutzung natürlicher Energiequellen – wie vor allem Sonnen- und Windenergie – die Biomassenutzung mehr und mehr auf die Nutzung von agraren Reststoffen zurück drängen. Warum?
Regenerative Energietechnologien, wie Sonnen- und Windkraftnutzung werden schon bald technisch, ökologisch und ökonomisch überlegen sein. Dies wird schon deutlich, wenn man die Energieausbeute pro Hektar betrachtet. Während z.B. Solarzellen ca. 10% der einfallenden Sonnenenergie und Windkraftanlagen ca. 40% der mechanischen Windenergie zur Stromerzeugung nutzen, ist der Wirkungsgrad der Photosynthese, mit deren Hilfe die Pflanzen das Sonnenlicht nutzen, nur ca. 1%. Hinzu kommen nicht unbeträchtliche Energiemengen für die Produktion von Düngern und evtl.Pflanzenschutzmitteln, bei der Landbestellung und Ernte sowie der weiteren Prozesskette, so dass der Gesamtwirkungsgrad der Photosynthese unter 1% liegt.
Diese sehr verschiedene Energieeffizienz pro Fläche wird immer ausschlaggebender werden, wenn es um die Nutzung von Agrarflächen geht, denn im Energiesektor kann es nie genug Energie geben. Da bleibt es nicht unerheblich, ob die eine oder andere Nutzung den zehn- oder zwanzigfachen Flächenbedarf bei gleicher Energiebereitstellung hat! (Außerdem bleibt anzumerken, dass die unter den regenerativen Anlagen liegenden Agrarflächen meist zusätzlich landwirtschaftlich nutzbar sind).
In eine vergleichende Ökobilanz würde die Energieeffizienz ebenso eingehen wie die zahlreichen Emissionspfade, die bei der energetischen Biomassenutzung auftreten. Und schließlich scheint auch die Ökonomie für den Weg der regenerativen Energien zu sprechen, sofern in beiden Wertschöpfungsketten die direkten und indirekten Subventionen auf das gleiche Niveau kommen.
Industriepflanzen – stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe
Aber Industrie und Verbraucher benötigen nicht nur Energie, sondern auch Rohstoffe. Diese Rohstoffe können in vielfältiger Weise aus nachwachsenden Ressourcen gewonnen werden. Man spricht hier von der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe oder auch von “Industriepflanzen” im Gegensatz zu “Energiepflanzen”.
In diesem Bereich wurden zahllose Produktlinien erforscht und entwickelt, aber nur wenige haben bisher ihren Weg an den Markt gefunden. So vielfältig und faszinierend die Eigenschaftsprofile und Anwendungsmöglichkeiten sind, so schwer ist es auf der anderen Seite, die neuen Rohstoffe und Zwischenprodukte in bestehende Prozessketten zu integrieren. Was im Energiebereich leicht ist, ist hier schwer. Die biogenen Rohstoffe und Zwischenprodukte haben in vielen Fällen andere Eigenschaftsprofile als die vorherrschenden Erdöl-basierten Rohstoffe, auf die fast die gesamte Industrieproduktion der letzten Jahrzehnte zugeschnitten und optimiert ist. Jede Änderung ist aufwändig und – zumindest zunächst – kostspielig.
Bei der stofflichen Nutzung bedarf es viel Geschick und Gespür, geeignete Produktlinien zu finden, in welche die biogenen Rohstoffe entweder mit relativ geringem Aufwand integriert werden können oder aber ihre Eigenschaften solche Vorteile mitbringen, dass sich eine Veränderung der Prozessketten lohnt.
Mittel- und langfristig sehen die Chancen für den stofflichen Bereich aber recht viel versprechend aus. Das Know-how in Bezug auf Eigenschaften, Einsatzgebiete, Modifizierungen, Prozessketten und Ökonomie wächst in großen Schritten, in der Umsetzung haben einige Produktlinien bereits Skaleneffekte zu verzeichnen: Infolge der stetig wachsenden Produktion sinken parallel die Produktionskosten.
Und schließlich nicht zu vergessen: Sonnen- und Windenergie sowie weitere technische Nutzungen natürlicher Energiequellen werden langfristig große Bedeutung erlangen. Aber sie werden keine Rohstoffe bereitstellen, sondern nur die Energie zu ihrer Umwandlung liefern. Sonnen- und Windenergie und die Nutzung von Industriepflanzen ergänzen sich ideal, die eine Technik liefert die saubere Energie, die andere die biogenen Rohstoffe aus denen dann Kaskaden von (bio)chemischen Substanzen – von chemischen Grundstoffen bis hin zu komplexen organischen Verbindungen – entspringen.
Beispiele erfolgreicher Produktlinien
Einige Beispiele sollen erfolgreiche stoffliche Nutzungen aufzeigen. Bio-Schmiermittel haben sich bereits einen sicheren Bereich unter den Schmiermittelanwendungen erobert. Ihre biologische Abbaubarkeit bringt z.B. bei Kettensägen im Wald Vorteile in Bezug auf Umweltbelastung und Handhabung, und damit letztendlich in der Ökonomie. Stärke-basierte Bio-Kunststoffe haben in den letzten drei Jahren ihre weltweite Produktionskapazität um mehr als den Faktor 10 auf inzwischen 250.000 t/Jahr vergrößert. Anwendungen findet man z.B. im Agrar- und Gartenbereich, bei Verpackungen und Einweg-Geschirr.
Auch Naturfasern haben ihre Märkte gefunden. Kaum ein Automobil aus deutscher Produktion kommt heute auf den Markt, ohne dass es Naturfaser-verstärkte Verbundwerkstoffe als Türinnen- und Säulenverkleidung, Hutablage, Kofferraumauskleidung oder Reserveradmulde in sich trägt. Auf der Schwelle der Serienfertigung steht inzwischen auch der Naturfaser-verstärkte PP-Spritzguss, in dem die Naturfasern die Glasfasern ersetzen. Solche Spritzgussteile kommen fast überall zum Einsatz, so z.B. als Gehäuse von Bildschirmen und Fernsehern oder auch von Handys.
Hoch im Kurs stehen in der Entwicklung derzeit sog. „Grüne Raffinerien“, in denen mit unterschiedlichen Verfahren aus fast beliebiger Biomasse einfache (Grund-)Chemikalien für die stoffliche und energetische Nutzung gewonnen werden.
Ökologische Bewertung
Aber auch bei den nachwachsenden Rohstoffen gilt es, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das bedeutet für uns vor allem: Welche Produktlinien – ob energetisch oder stofflich – wirklich ökologische Vorteile gegenüber bestehenden Lösungen bringen (dabei geht es um mehr als die CO2-Bilanz und auch die ist in der Regel weit weniger geschlossen, als meistens behauptet wird)? Auch – oder gerade wenn – etwas vom Acker kommt, ist seine ökologische Bewertung keineswegs automatisch positiv. Im Lobby- und Interessengeflecht werden hier viele Dinge so lange schön geredet, bis es fast jeder glaubt. In vielen Fällen fehlen belastbare Öko-Bilanzen. Und wenn es sie gibt, werden sie gerne von den Interessengruppen ignoriert.
Andere Produktlinien wurden dagegen in verschiedenen Öko-Bilanzen als ökologisch vorteilhaft bewertet. Dies sollte mehr wahr genommen werden und auch in Förderentscheidungen verstärkt einfließen. Denn immerhin sollen die nachwachsenden Rohstoffe zu einer „besseren Welt“ führen, dabei helfen, die Umweltbelastung sowie den Ressourcenverbrauch zu reduzieren und eben ein Baustein für nachhaltiges Wirtschaften sein!
Wettbewerbsfähigkeit
Ähnlich verschwommen sieht es oft mit der Ökonomie aus. Im Förderdschungel vom Anbau bis zur Weiterverarbeitung, auf EU-, nationaler und Länderebene weiß am Ende niemand mehr so recht, wie viele Subventionen in das eine oder andere Produkt aus nachwachsenden Rohstoffen geflossen ist. Ökonomie ist aber immer auch ein Zeichen für Effizienz. Es sollte daher mehr Transparenz darüber entstehen, welche Gesamtsubventionen in welcher Produktlinie vom Anbau bis zum Endprodukt stecken. Bei Produktlinien, die auch dauerhaft nur mit hohen Subventionen am Markt zu halten sind, sollte eine weitere Förderung in Frage gestellt werden.
In der Vergangenheit kam es dagegen immer wieder zu erstaunlich veränderten Rahmenbedingungen, die wenig subventionierte Produktlinien ins Aus laufen ließen, während hoch subventionierte noch mehr gestützt wurden. Durch solche Eingriffe werden die marktwirtschaftlichen Kräfte auf den Kopf gestellt und eine positive Entwicklung der Branche eher verhindert als gefördert.
Dieser Text wurde für das österreichische Nachhaltigkeits-Forum www.nachhaltigkeit.at verfasst und ist dort in identischer Form veröffentlicht worden. (Anm. d. Redaktion: Achtung – für nicht-DSL-Inhaber ist Geduld beim Seitenaufbau vonnöten!)
Source
sieheda
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