Fünf bis sechs Kilo Naturfasern in Autoinnenteilen: Bei Naturfasern für technische Textilien und Verbundwerkstoffe im Automobilbereich ist EU-weit bis 2005 eine Marktsteigerung von rund 20 Prozent jährlich zu erwarten.
Ein Vlies aus Flachs oder Hanf wird zusammen mit einem Kunststoff in die gewünschte Form gepresst und als Türverkleidung im Innenraum oder als Kofferraumauskleidung eingesetzt. In der Autoindustrie ist besonders in Deutschland die Nachfrage an Flachs- und Hanffasern in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Geradezu dynamisch entwickeln wird sich der Markt für biologisch abbaubare Werkstoffe bei den Verpackungsmaterialien: Kunststoff-Granulaten und Folien aus Stärke werden 40 Prozent durchschnittliches Mengenwachstum pro Jahr in der EU bis 2005 prognostiziert. Zu diesen Ergebnissen kommt Dr. Markus Kaup in einer Studie, die er am Wirtschafts- und Sozialgeographischen Institut der Universität zu Köln erstellt hat (vgl. Meldung vom 2002-03-25).
Ohne öffentliche Förderung sind viele Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht wettbewerbsfähig – die Herstellungskosten sind höher als die konventionell erzeugter Waren. Weil nicht erneuerbare Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas endlich sind, ist die Förderung von Produktketten aus nachwachsenden Rohstoffen, alternativen Rohstoffquellen und Energieträgern in das öffentliche Interesse gerückt. Naturfaser-Verbundstoffe im Automobilbereich können durchaus im preislichen Wettbewerb bestehen. Preiswerter sind sie gegenüber anderen Bauweisen in der Gesamtkonstruktion und gegenüber synthetischen Fasern. Letztere werden bei steigenden Erdölpreisen teurer. Frei von giftigen Ausdünstungen, niedriges Gewicht und geringer Werkzeugverschleiß sind weitere Gründe, die für Naturfasern sprechen. Die Gewichtsersparnis durch Naturfasern führt zu einer günstigeren Ökobilanz bei Produktion und Fahrbetrieb.
Fast alle großen Automobilzulieferer setzen heute Naturfasern bei Formpressteilen ein. Die kleinen bis mittelständischen Vlies- und Filzhersteller müssen sich nach den Anforderungen der internationalen Großunternehmen richten, die die Fasern zu Verbundstoffen weiterverarbeiten. Deren Abnehmer wiederum sind die wenigen mächtigen Automobilhersteller. Trotz guter ökologischer Bilanz und Wettbewerbsfähigkeit könnten Naturfaserverbundwerkstoffe wieder aus den Autos verschwinden: Dr. Kaup weist auf die EU-Altautorichtlinie hin, nach der ab dem Jahr 2015 85 Prozent des Fahrzeugs stofflich verwertet werden müssen. Naturfaser-Verbundwerkstoffe sind, wie Verbundmaterialien generell, nur unter hohem Kostenaufwand oder gar nicht stofflich wieder verwertbar.
Über ihren gesamten Lebensweg gesehen sind Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen allerdings nicht unbedingt als ökologisch zu bezeichnen. Besonders die landwirtschaftliche Bereitstellung der Rohstoffe wie Flachs, Getreide, Ölpflanzen wirkt sich auf die Umwelt aus. Der Kölner Wirtschaftsgeograph nennt unter anderem die Belastung von Grundwasser durch Nitrate, die Erosion und den Flächenverbrauch. Bei der Entsorgung von organischem Material auf der Deponie entsteht das Deponie-Gas Methan, das das Klima beeinflusst. Ganz ohne erschöpfliche Energien kommen auch Herstellung und Weiterverarbeitung von alternativen Produkten nicht aus.
Laut der von Dr. Kaup durchgeführten Erhebungen ist die Marktentwicklung vieler Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen bis 2005 stark abhängig von öffentlichen Fördermaßnahmen. Die befragten Unternehmen setzen auf Verordnungen, die ihre Produkte begünstigen. Subventionen für Produktstufen jenseits der Landwirtschaft versprechen einen positiven Effekt auf die Marktentwicklung von Produktketten aus nachwachsenden Rohstoffen. Zudem profitieren diese davon, wenn Qualitätsstandards und Gütesiegel weiterentwickelt werden.
Rückfragen bei:
Dr. Markus Kaup
Tel.: 02233-94 36 84
Fax: 02233-94 36 83
E-Mail: markus.kaup@nova-institut.de
Presse- und Informationsstelle der Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz 1, 50923 Köln
Tel.: 0221-470 2202, Fax: 0221-470 5190
E-Mail: Rutzen@uni-koeln.de
Internet: www.uni-koeln.de
Source
Pressemitteilung Nr. 114 der Universität zu Köln vom 2002-07-08.
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