Unter dem Motto „Megatrend Nachhaltigkeit“ fand am 13. Mai in Frankfurt die dritte ordentliche Mitgliederversammlung des natureplus e.V. statt. Etwa 60 Mitglieder und Gäste aus Deutschland, Österreich, Belgien, Italien, den Niederlanden und der Schweiz folgten im Frankfurter Ökohaus den interessanten Vorträgen, in denen die Notwendigkeit, aber auch der Beginn eines Umdenkens in Richtung Nachhaltigkeit im Bauwesen deutlich wurde.
Ökologischer Fußabdruck
WWF-Sprecher und natureplus-Vorsitzender Felix Meier begründete die Förderung nachhaltiger Baumaterialien mit dem ökologischen „Fußabdruck“ unserer mitteleuropäischen Lebensweise. Wenn die ganze Welt so wie wir konsumieren würde, bräuchte es 2,6 Planeten, um ihre Bedürfnisse zu stillen. Weil die Hälfte der Allergien auf schädliche Einflüsse des Wohnbereichs zurückzuführen ist und jeder Vierte bereits mit Allergien zu kämpfen hat, seien gesunde Bau- und Wohnmaterialien das Gebot der Stunde. Umfragen in der Schweiz belegten, dass sich 19% der Baumarktkunden an Ökolabeln orientieren und Baumarktketten mit ihren Ökoprodukten die größten Umsatz-Zuwächse erzielten.
Mangelnde Bauqualität
Heiner Kehlenbeck vom Verband des Baustoff-Fachhandels sah in der Baubranche derzeit vergleichsweise wenig Interesse an nachhaltigem Wirtschaften, obgleich solche Unternehmen nach Untersuchungen des ifo-Instituts wirtschaftlich erfolgreicher sind und die Baubranche diesen Erfolg dringend nötig hätte. Denn nach seinen Worten sind rund die Hälfte der Bauunternehmen und Baustoffhändler „von den Banken bereits abgeschrieben“. Es müsse eine „neue Wertschöpfungskette Bau“ entstehen, die auf Nachhaltigkeit und Qualität setzt. Denn derzeit hätten schon 4,4 % der Neubauten direkte Baumängel, 12,9 % Folgeschäden – das könne sich keine Branche auf Dauer leisten. Die Kreditgeber begännen schon, ihre Sicherheiten in Hypotheken im Wert abzuschreiben, weil Neubauten bereits sanierungsreif sind. Die Verwendung umweltschädlicher Baumaterialien bewirkt, dass der Abriss eines solchen Gebäudes künftig teurer kommt als der Neubau. Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, so Kehlenbeck, weil ohne sie die Bauwirtschaft zugrunde geht.
Unternehmenswandel
Wie sich ein Traditionsunternehmen den neuen Herausforderungen nachhaltigen Wirtschaftens stellt, berichtete Wilhelm Gröner vom Hersteller Saint-Gobain. Nicht nur eine jährliche Senkung des Energieverbrauchs um 5 % im Gesamtunternehmen und die Ausbildung von 140 Fachberatern für Naturbaustoffe im angeschlossenen Baustoffhandel RaabKarcher hatte er vorzuweisen. Mit der Aufnahme von Dämmstoffen aus Hanf in das europaweite Produktsortiment wurde „ein Umdenken im Unternehmen“ eingeleitet, bei dem man im Interesse der Kunden „frühere Gegner heute als Mitstreiter sieht“. (Vgl. Meldung vom 2002-11-27.)
Demonstrationszentrum
Vom Bildungszentrum der Handwerkskammer Münster kam Sabine Heine, die das Projekt eines Demonstrationszentrums Bauen und Energie vorstellte, das bis zum Jahresende fertiggestellt sein soll. In dem Gebäude werden verschiedene nachhaltige und energiesparende Bauweisen und Konstruktionen verwirklicht und für die Aus- und Weiterbildung „transparent“ gemacht. An Hunderten von Messpunkten sollen bauphysikalische Vorgänge dokumentiert und damit das ganze Haus zu einem „lehrenden Gebäude“ gemacht werden. Die Zielgruppen der verschiedenen hier angebotenen Lehrgänge – neben Handwerkern auch Architekten und Ingenieure – sollen „raus aus dem Schulungsraum“ und das notwendige „Miteinander der Gewerke praktisch erfahren“. In dem Demonstrationszentrum werden verschiedene Beratungsinstitutionen, vor allem aber das Kompetenzzentrum Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen (KNR), untergebracht.
Leitidee „vernetzte Baustelle“
Das Bundesinstitut für Berufsbildung war durch Dr. Klaus Hahne vertreten, der das Leitbild seiner Institution für eine Nachhaltige Entwicklung vertrat. Dazu müsse vor allem auf die Motivation der Beteiligten Einfluss genommen werden: „Nur ein von dem nachhaltigen Produkt überzeugter Verkäufer kann auch den Kunden überzeugen.“ Die Berufsbildung muss nach seinen Worten den Gedanken einer „vernetzten Baustelle“ fördern, bei der alle Gewerke koordiniert zusammenwirken und den ganzen Lebenslauf des Gebäudes im Sinne der Umwelt und der Gesundheit der Nutzer im Blick behalten. So wurden beispielsweise Zimmerleuten der Sinn der Kooperation mit Dachdeckern und Trockenbauern verdeutlicht, indem eine Versuchsbaustelle demonstrierte, dass es sehr auf die Maßgenauigkeit der Sparrensetzung ankommt, wenn anschließend die Dämmstoffbahnen in die Zwischenräume passen sollen.
Markteinführungsprogramm
Von einem geplanten Markteinführungsprogramm berichtete Jörg Brandhorst von der Arbeitsgemeinschaft Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen (ADNR). Einen Zuschuss von bis zu 40 Euro pro Kubikmeter Dämmstoff soll der Bauherr auf Antrag vom Verbraucherministerium bekommen, sofern das Material durch natureplus geprüft und für gut befunden wurde. Allerdings steckt dieses Förderprogramm schon seit Monaten in Brüssel bei der Genehmigungsbehörde fest, die sich offenbar erstmals mit der Nachhaltigkeit von Bauprodukten zu beschäftigen hat. Frühestens im Sommer kann man deshalb mit einer Förderung rechnen. Christof Klein vom Seminarveranstalter BauWissen stellte dazu ein Konzept vor, wie man Fachverkäufern und Architekten den Nutzen dieser ökologischen Dämmstoffe und das Procedere des Zuschussverfahrens in einem „Kick-off-Tag“ verdeutlichen kann.
Markt der Möglichkeiten
Anschließend wurden vier Produkte der Firma Pavatex, überwiegend Dämmplatten aus Holzfasern, mit dem natureplus-Qualitätssiegel ausgezeichnet. Wie natureplus-Geschäftsführer Thomas Schmitz-Günther ausführte, sei das Schweizer Unternehmen damit eines der ersten, das nahezu seine ganze Produktpalette von natureplus prüfen ließ. Nach diesen Vorträgen und einer kurzen Aussprache darüber hatten die Teilnehmer Gelegenheit, bei einem „Markt der Möglichkeiten“ Kontakte zu knüpfen und Netzwerke zu pflegen. Rund ein Dutzend Unternehmen und Verbände hatten zu diesem Zweck an kleinen Infoständen eine Dokumentation ihrer Aktivitäten für mehr Nachhaltigkeit im Bauwesen vorbereitet.
Vorstandsbericht
Bei der anschließenden Mitgliederversammlung des natureplus e.V. berichtete Vorsitzender Felix Meier von reger Tätigkeit auf der Normungsebene: Seit Juni vergangenen Jahres wurde die Zahl der Vergaberichtlinien für das natureplus-Qualitätszeichen auf 25 quasi verdoppelt. Insbesondere habe man darauf geachtet, dass künftig vermehrt verbrauchernahe Produkte wie Farben, Lacke oder Bodenbeläge ausgezeichnet werden können. Die Zahl der zertifizierten Produkte hat sich zwar auf 70 erhöht, die neuen Vergaberichtlinien seien aber von der Industrie noch nicht angenommen worden. (Vgl. Meldungen vom 2003-05-12 und 2003-04-14.)
Dies zu ändern, sei das wesentliche Ziel des laufenden Jahres. Auch die Zahl der Mitglieder, die immerhin binnen eines Jahres um etwa ein Drittel angewachsen ist, müsse nochmals kräftig steigen, um den geplanten Wachstumskurs mittragen zu können. Was schon jetzt kräftig zugenommen hat, ist die Zahl der Kooperationen. So wird auf der Internationalen Gartenbauausstellung in Rostock ebenso für natureplus geworben wir bei diversen Baustoffhändlern und Bildungseinrichtungen.
Vor dem Sprung
Dass natureplus immer noch vor dem großen Sprung nach vorne steht, zeigte auch der Kassenbericht: Ohne eine kräftige Unterstützung durch den WWF und eine Menge ehrenamtlicher Arbeit von Wissenschaftlern aus verschiedenen Instituten hätte der natureplus e.V. sich nicht derart professionell bei Messen und Veranstaltungen darstellen und sein Aktionsfeld durch neue Richtlinien erweitern können. Die erhoffte Unterstützung durch staatliche Fördergelder war ausgeblieben. Der Haushaltsplan für das laufende Jahr basiert auf kräftigen Steigerungsraten bei der Zahl der zertifizierten Produkte. Auch Sponsoren sollen nun gefunden werden. Nachdem die Kassenprüfer eine ordnungsgemäße Kassenführung bescheinigten, wurde der Vorstand einstimmig von der Versammlung entlastet.
Kontaktstellen in den Nachbarländern
Eine zunehmend wichtige Einrichtung zur Verbreitung der natureplus-Idee sind die Kontaktstellen in verschiedenen europäischen Ländern. So berichtete die Schweizer Kontaktstelle von regen Bemühungen, auf verschiedenen Messen die Trägerschaft in der Schweiz zu verbreitern und neue Mitglieder zu gewinnen. Die neu eingerichtete belgische Kontaktstelle hat bereits eine eigene Publikation zu natureplus herausgebracht und gerade einen Antrag gestellt, dass die belgische Regierung die Informationsarbeit zu natureplus fördert. Auch aus den Niederlanden wurden Aktivitäten gemeldet. In Italien will man versuchen, die Suche einiger Regionalregierungen nach nachhaltigen Bauprodukten auf die Mühlen von natureplus zu lenken. Auch in Richtung Frankreich und Skandinavien würde natureplus gerne seine Kontakte erweitern.
Ausblick
Auf der Mitgliederversammlung wurde zudem angekündigt, dass natureplus im Herbst 2003 und Frühjahr 2004 auf diversen Kongressen und Messen vertreten sein wird. Außerdem soll auch die Zusammenarbeit mit den Kommunen intensiviert werden. Hiervon verspricht man sich tendenziell mehr Berücksichtigung natureplus-zertifizierter Produkte bei öffentlichen Bauvorhaben. Die Bekanntheit des natureplus-Qualitätszeichens beim Endverbraucher werde aber nur dann zu steigern sein, wenn noch mehr Consumer-Artikel mit diesem Label ausgestattet sind.
natureplus e.V.
Internationaler Verein für zukunftsfähiges Bauen und Wohnen
Kleppergasse 3
D-69151 Neckargemünd
Tel. / Fax: 0049-(0)6223-861147
mobil: 0049-(0)170-9040080
E-Mail: office@natureplus.de
Internet: http://www.natureplus.de
(Vgl. Meldung vom 2003-05-14.)
Source
Pressemitteilung des natureplus e.V. vom 2003-05-15.
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