Mit Holzsprit zu Nylon, Kosmetik und Medikamenten

Bakterien verwandeln Methanol in Kunststoff-Rohmaterial und Duftstoffe

Seit Jahrzehnten produzieren Bakterien in der Industrie aus Glukose (Traubenzucker) Verbindungen, die zur Herstellung von Kosmetik, Medikamenten und Kunststoffen gebraucht werden. Glukose ist zwar ein nachwachsender Rohstoff, aber essbar – und Kritiker bemängeln, dass sie als Industrierohstoff statt als Lebensmittel verwendet wird.

Ein neues EU-Forschungsprojekt soll untersuchen, wie sich Glukose durch einen massenhaft verfügbaren Rohstoff ersetzen lässt, und zwar durch Methanol, auch bekannt als Holzsprit. An diesem Projekt arbeitet die Universität Bielefeld zusammen mit europäischen Partnern aus Forschung und Industrie.

In dem neuen Verbundprojekt “PROMYSE” wollen der Biologe Professor Dr. Volker F. Wendisch von der Universität Bielefeld und seine Kollegen Bakterien untersuchen, die Methanol verwerten können. Diese sollen dann Wertstoffe wie die duftenden Naturstoffe Terpenoide und die Kunststoff-Vorstufen Diamine erzeugen. Ebenso wollen sie der Frage nachgehen, ob die Fähigkeit, Methanol zu verwerten, auf andere Bakterien übertragbar ist. Das dreijährige Forschungsprojekt ist im Januar 2012 gestartet. Die Europäische Union fördert diese Forschung zur Synthetischen Biologie mit rund drei Millionen Euro, davon gehen etwa 400.000 Euro an die Universität Bielefeld.

Volker F. Wendisch ist Professor an der Fakultät für Biologie und Sprecher des “Instituts für Genomforschung und Systembiologie” im Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld. Wenn es nach ihm und seinen Kollegen geht, soll Methanol künftig als Alternative zu Glukose europaweit als Rohstoff nutzbar werden. Schon jetzt ist der Holzsprit einer der gängigen Rohstoffe in der chemischen Industrie. Auch als Kraftstoff wird Methanol genutzt. Methanol kann aus Erdgas gewonnen werden, aber auch aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz durch trockene Destillation.

Das Forschungsprojekt “PROMYSE” heißt mit vollem Namen “Products from Methanol by Synthetic Cell Factories” (Produkte aus Methanol durch synthetische Zellfabriken). Um Methanol für die neuen Zwecke nutzbar zu machen, will das europäische Forscherteam nun den Bacillus methanolicus untersuchen. Er ist methylotroph – ihm reicht Methanol als einzige Quelle aus, um zu wachsen und Energie zu gewinnen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen der Frage nach, ob mit diesem Bakterium Wertstoffe aus Methanol hergestellt werden können. Außerdem wollen sie herausfinden, wie das Bakterium Methanol “verdaut” und in welchen Genen die Steuerung dieses Stoffwechsels abgespeichert ist. Wenn das feststeht, wollen die Wissenschaftler einen genetischen Baustein isolieren, damit sich die Fähigkeit zur Methanol-“Verdauung” auf andere Bakterien übertragen lässt.

Ihr Ziel ist es, die Fähigkeit in solche Bakterien einzubauen, die Stoffe produzieren, für die es in der chemischen Industrie eine starke Nachfrage gibt. Zunächst wollen die Forscher das Corynebacterium glutamicum mit der neuen Fähigkeit ausstatten, um so aus ihm einen Methanol-Umwandler zu machen. “Der Vorteil an diesem Bakterium ist, dass es in der Lebens- und Futtermittel-Industrie seit über 50 Jahren bewährt und sehr gut erforscht ist”, sagt Professor Wendisch.

Mit der neuen Fähigkeit könnte der Mikroorganismus laut Wendisch genutzt werden, um zwei Produktlinien herzustellen: Terpenoide und Diamine. Terpenoide sind chemische Verbindungen, die in allen Pflanzen enthalten sind. Oft duften sie stark und kommen als ätherische Öle in Blüten, Nadeln und Früchten zum Beispiel in Zitronen und Limetten vor. Dr. Petra Peters-Wendisch von der Fakultät für Biologie ist für das Forschungsprojekt mitverantwortlich und weiß: “Terpenoide sind heute in der chemischen Industrie unverzichtbar.” Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von biologischen Insektiziden bis zu Pharmazeutika gegen Malaria. Verbreitet ist auch der Einsatz als Geruchs- und Geschmacksstoff in Parfümen und Lebensmitteln.
“Aus Diaminen – der zweiten Produktlinie – lassen sich durch chemische Umwandlungen leicht Polyamide herstellen”, sagt Volker F. Wendisch. Polyamid ist ein Tausendsassa unter den Kunststoffen. Es wird als Synthesefaser für Textilien genutzt, als Ausgangsmaterial für technische Teile wie Dübel, Schrauben und Kabelbinder, und, um Haushaltsgegenstände wie Löffel und Zahnbürsten-Borsten herzustellen.

Die Universität Bielefeld ist einer von acht Partnern in dem Forschungsprojekt “PROMYSE”. Koordiniert wird das Projekt von der Stiftung für industrielle und technische Forschung (SINTEF) in Norwegen. Neben akademischen Partnern aus Groningen (NL) und Toulouse (F) und zwei Start-up-Unternehmen sind der Chemiekonzern BASF sowie Forscher der DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie sowie der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich beteiligt.

Das EU-Verbundprojekt gehört zum Forschungsschwerpunkt “Molekular- und Nanowissenschaften” (Molecular and Nano Sciences) der Universität Bielefeld. In diesem breiten Feld hat sich die Universität mit einem fokussierten Profil an den Schnittstellen zwischen Physik, Chemie, Biologie und Bioinformatik national und international positioniert. Die aktuellen Forschungen reichen von Nanoschichten und Einzelmolekülprozessen bis hin zu bakteriellen, pflanzlichen und tierischen Zellen. Sie werden durch interdisziplinäre Kooperationen getragen und sind teilweise am Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) angesiedelt. Zu “PROMYSE” wird in Bielefeld sowohl in der Fakultät für Biologie als auch am CeBiTec geforscht.

Weitere Informationen im Internet:
web.biologie.uni-bielefeld.de/genetik/

Source

Innovations-Report, 2012-01-30.

Supplier

DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V.
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)
SINTEF
Universität Bielefeld

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