Mikroplastik vermeiden: Welche Kunststoffprodukte biologisch abbaubar sein sollten

Checkliste und Anwendungsbeispiele für den Einsatz in GaLaBau, Landwirtschaft, Forst und Stadtreinigung

Während die „Kompostierbarkeit“ von Kunststoffprodukten zumeist kein zielführendes Beschaffungskriterium ist – insbesondere weil ihre Entsorgung in Deutschland gesetzlich eingeschränkt ist (FNR-Artikel: Kompostierbare Biokunststoffe zwischen Theorie und Praxis) – gibt es spezielle Einsatzbereiche, in denen die biologische Abbaubarkeit eines Kunststoffs ökologisch absolut sinnvoll ist. Vor allem dort, wo Kunststoffprodukte systembedingt in der Umwelt verbleiben, können abbaubare Alternativen die Verbreitung von Mikroplastik vermeiden.

Öffentliche Auftraggeber können in Bereichen wie Garten- und Landschaftsbau, Land- und Forstwirtschaft sowie Stadtreinigung durch gezielte Beschaffung umweltgerechter Produkte einen Beitrag zu weniger Kunststoffen in der Umwelt leisten.

Wie Mikroplastik entsteht – und wie biologisch abbaubare Kunststoffe helfen können

Kunststoff-Eintrag in die Umwelt durch abbaubare Biokunststoff-Alternativen vermeiden. Im Bild: Borsten für Kehrmaschinen. Beim Reinigen der Straßen verschleißen die Borsten kontinuierlich und geben dabei Borstenstücke sowie Mikropartikel in Form des Abriebs an die Umwelt ab. Die Borstenstücke zerfallen mit der Zeit zu Mikroplastik, gelangen in den Boden, durch Regen ins Abwassersystem oder über Flüsse ins Meer. Die Verlustrate der Borsten bei Straßenkehrmaschinen liegt bei 80 %. Dieser Abrieb landet ungehindert in der Umwelt. In Deutschland sind das ca. 13.000 Tonnen jährlich
Kunststoff-Eintrag in die Umwelt durch abbaubare Biokunststoff-Alternativen vermeiden. Im Bild: Borsten für Kehrmaschinen. Beim Reinigen der Straßen verschleißen die Borsten kontinuierlich und geben dabei Borstenstücke sowie Mikropartikel in Form des Abriebs an die Umwelt ab. Die Borstenstücke zerfallen mit der Zeit zu Mikroplastik, gelangen in den Boden, durch Regen ins Abwassersystem oder über Flüsse ins Meer. Die Verlustrate der Borsten bei Straßenkehrmaschinen liegt bei 80%. Dieser Abrieb landet ungehindert in der Umwelt. In Deutschland sind das ca. 13.000 Tonnen jährlich. © stock.adobe.com/luftbildfotograf

Verbleiben Kunststoffprodukte systembedingt in der Umwelt, zerfallen sie durch Witterung und mechanische Einwirkung in kleine Partikel – sogenanntes Mikroplastik (Partikel < 5 mm). Da sich konventionelle Kunststoffe in der Umwelt nicht abbauen, belasten sie langfristig als Mikroplastik Böden, Gewässer und Organismen.

Biologisch abbaubare Kunststoffe bieten hier einen Lösungsansatz: Auch sie zerkleinern sich, gleichzeitig beginnt aber – abhängig vom Material und der Umwelt – ein mikrobieller Abbauprozess. Langfristig entstehen so aus diesen Kunststoff-Partikeln wieder CO₂, Wasser und Biomasse. Die dauerhafte Akkumulation von Mikroplastik wird so vermieden.

Typische Anwendungsbeispiele: Wo Kunststoffe „End-of-Life“ in der Umwelt verbleiben

Biologisch abbaubare Wuchshüllen schützen junge Bäume vor Verbiss – und zersetzen sich nach Gebrauch rückstandsfrei im Boden. Eine umweltfreundliche Lösung für die nachhaltige Forstwirtschaft
Biologisch abbaubare Wuchshüllen schützen junge Bäume vor Verbiss – und zersetzen sich nach Gebrauch rückstandsfrei im Boden. Eine umweltfreundliche Lösung für die nachhaltige Forstwirtschaft.
© stock.adobe.com/focus finder

Ein Einsatz biologisch abbaubarer Kunststoffe ist besonders dort sinnvoll, wo eine Rückholung der Produkte aus der Natur nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Beispiele sind:

  • Mulchfolien zur Unkrautbekämpfung in der Landwirtschaft
  • Wuchshüllen als Verbissschutz in der Forstwirtschaft
  • Einstreugranulate (Infill) für Kunstrasenplätze
  • Mähfäden, Seile, Pflanzhilfen, Pflanztöpfe im Garten- und Landschaftsbau
  • Kehrborsten von Straßenreinigungsmaschinen
  • Geotextilien zum Erosionsschutz an Abhängen und Uferböschungen

Was bedeutet „biologisch abbaubar“?

Ein Kunststoff gilt als biologisch abbaubar, wenn sich seine organischen Bestandteile durch Mikroorganismen vollständig zu CO₂, Wasser und Biomasse umwandeln lassen. Der Abbau kann an unterschiedlichsten Orten, z.B. im Wald, auf dem Feld, am Strand, auf dem Meeresgrund, aber auch in einer Kompostierungsanlage erfolgen.

Relevante Normen und Prüfmethoden

Soll die biologische Abbaubarkeit eines Kunststoffes mit einem anderen verglichen werden, müssen Parameter festgelegt werden, unter welchen Umweltbedingungen und in welchen Zeiträumen der Abbau erfolgt.

Eine biologisch abbaubare Mulchfolie unterdrückt Unkraut und fördert das Pflanzenwachstum – nach der Ernte kann sie einfach im Boden verbleiben und zersetzt sich vollständig, ohne Mikroplastik zu hinterlassen.
Eine biologisch abbaubare Mulchfolie unterdrückt Unkraut und fördert das Pflanzenwachstum – nach der Ernte kann sie einfach im Boden verbleiben und zersetzt sich vollständig, ohne Mikroplastik zu hinterlassen. © Hochschule Hof

Da Kunststoff-Produkte, die sich systembedingt nicht wieder einsammeln lassen, vor allem in den Boden oder in Gewässer gelangen, wurden für diese Umweltbereiche Anforderungen und Prüfmethoden für den biologischen Abbau festgelegt.

Entsprechende international anerkannte Normen wurden vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) sowie von ASTM (American Society for Testing and Materials) definiert: 

  • EN 17033: Norm für biologisch abbaubare Mulchfolien im Boden
  • ASTM D5988: Norm für biologisch abbaubare Folien im Boden (US-amerikanisches Pendant zu EN 17033)
  • ASTM D6691: Norm für den biologischen Abbau unter maritimen Bedingungen

Die dazugehörigen Prüfmethoden sind: 

  • ISO 17556 für den biologischen Abbau im Boden
  • ISO 14851 / 14852 für den biologischen Abbau im wässerigen Milieu

Zertifikate und Gütezeichen für biologisch abbaubare Kunststoff-Produkte

Auf Basis dieser Anforderungen und Prüfmethoden können biologisch abbaubare Kunststoff-Produkte zertifiziert werden. Aktuell stehen folgende Zertifikate und Gütezeichen als Qualitätsnachweis für die nachhaltige Beschaffung zur Verfügung:


Tipps und Formulierungen für die Ausschreibung

1. Bedarfsanalyse: Ist Umweltverbleib unvermeidbar? 

Prüfen Sie vorab:

  • Bleibt das Produkt systembedingt ganz oder teilweise in der Umwelt zurück?
  • Ist ein Kunststoff technisch zwingend erforderlich oder gibt es geeignete Alternativen aus Naturmaterialien (z.B. Jute, Holz)?
  • Produktübersicht in der Studie BioSinn (nova-Institut, gefördert durch das BMLEH): Zur Studie
  • Recherchen über DIN CERTCO und TÜV Austria, die Listen mit zertifizierten Produkten veröffentlichen
  • Herstelleranfragen bei spezialisierten Anbietern aus Agrar- oder GaLaBau-Branche
  • Fachmessen und Netzwerke wie IFAT, Demopark, Agritechnica oder regionale Nachhaltigkeitsbörsen
  • Austausch mit anderen Vergabestellen über Plattformen, wie das Verwaltungs- und Beschaffernetzwerk (VUBN www.vubn.de), oder den Kompass Nachhaltigkeit (www.kompass-nachhaltigkeit.de)

Nur wenn diese Fragen zutreffen, ist eine Anforderung an die biologische Abbaubarkeit gerechtfertigt und verhältnismäßig.

2. Marktrecherche: Gibt es verfügbare Produkte? 

Die Anzahl zertifizierter biologisch abbaubarer Produkte wächst. Hersteller investieren in Forschung, da die Nachfrage durch umweltbewusste Beschaffung steigt. Öffentliche Ausschreibungen mit klaren Umweltkriterien wirken als Innovationsmotor.

Biologisch abbaubare Kunststoffprodukte: Anwendungsbeispiele, Kriterien und Checkliste für den Einsatz in GaLaBau, Landwirtschaft, Forst und Stadtreinigung liefert die Studie „BioSinn“ des nova-Instituts für politische und ökologische Innovation
Biologisch abbaubare Kunststoffprodukte: Anwendungsbeispiele, Kriterien und Checkliste für den Einsatz in GaLaBau, Landwirtschaft, Forst und Stadtreinigung liefert die Studie „BioSinn“ des nova-Instituts für politische und ökologische Innovation, © nova-Institut

Einen Überblick für welche Kunststoff-Produkte, die in umweltsensiblen Bereichen eingesetzt werden, bereits biologisch abbaubare Alternativen verfügbar sind, gibt u.a. die Studie BioSinn, die vom nova-Institut mit Förderung des BMLEH erstellt worden ist: Link zur Studie

Zur Marktrecherche können genutzt werden:

  • Produktübersicht in der Studie BioSinn (nova-Institut, gefördert durch das BMLEH):
  • Zur Studie
  • Recherchen über DIN CERTCO und TÜV Austria, die Listen mit zertifizierten Produkten veröffentlichen
  • Herstelleranfragen bei spezialisierten Anbietern aus Agrar- oder GaLaBau-Branche
  • Fachmessen und Netzwerke wie IFAT, Demopark, Agritechnica oder regionale Nachhaltigkeitsbörsen
  • Austausch mit anderen Vergabestellen über Plattformen, wie das Verwaltungs- und Beschaffernetzwerk (VUBN www.vubn.de), oder den Kompass Nachhaltigkeit (www.kompass-nachhaltigkeit.de)

3. Ausschreibungstexte präzise formulieren 

Je nach Einsatzbereich kann die biologische Abbaubarkeit als Mindestanforderung oder als Bewertungskriterium formuliert werden. Gerade mit der Formulierung als Bewertungskriterium kann der Wettbewerb für Innovationen geöffnet werden, ohne Anbieter auszuschließen, die noch keine vollständig abbaubaren Produkte liefern.

Beispiel Mindestanforderung:
„Das angebotene Produkt muss im Boden unter aeroben Bedingungen vollständig biologisch abbaubar sein. Der biologische Abbau von mindestens 90 % innerhalb von maximal 24 Monaten ist durch ein anerkanntes Zertifikat (z. B. OK biodegradable SOIL (TÜV Austria) oder gleichwertig) oder einen Prüfbericht auf Basis der Prüfnorm ISO 17556 oder gleichwertiger Methoden nachzuweisen.“
Beispiel Bewertungskriterium:
„Produkte, deren biologisch abbaubare Kunststoffbestandteile gemäß ISO 17556 oder gleichwertiger Prüfmethoden innerhalb von 24 Monaten im Boden zu mindestens 90 % nachweislich abgebaut werden, erhalten bis zu [X] Zusatzpunkte.“

4. Nachweise konkret benennen

Ein bloßer Hinweis „biologisch abbaubar“ auf einem Produkt reicht nicht aus. Verlangt werden sollten:

  • Zertifikate unabhängiger Prüfstellen (z.B. DIN CERTCO, TÜV Austria), siehe oben
  • Prüfberichte unabhängiger Institute nach geltenden Normen, siehe oben

Achten Sie darauf, dass Zertifikate für das gesamte Produkt gelten, nicht nur für einzelne Komponenten.

Zusammenfassung: Biologisch abbaubare Kunststoffe gezielt einsetzen

Biologisch abbaubare Kunststoffe sind kein Standard für alle Beschaffungen – wohl aber eine gezielte Lösung für Anwendungen, bei denen Kunststoffe unweigerlich in die Umwelt gelangen. Die öffentliche Hand kann mit ökologisch ausgerichteten Ausschreibungen einen wichtigen Beitrag zu weniger Mikroplastik in der Umwelt leisten – und gleichzeitig Innovation fördern.

Checkliste für Ausschreibungen biologisch abbaubarer Kunststoffprodukte

  • Produkt verbleibt (teilweise) in der Umwelt
  • Anwendung erfordert zwingend einen Kunststoff (Alternativen wie Holz sind ausgeschlossen)
  • Geeignete Normen/Zertifikate bekannt (z. B. EN 17033)
  • Abbaubarkeit als Mindestanforderung oder Zuschlagskriterium klar formuliert
  • Nachweise konkret benannt (Zertifikate, Prüfberichte)
  • Verhältnismäßigkeit geprüft (z. B. technische Machbarkeit, Marktverfügbarkeit)

Forschung für effizientere Verwertung von Biokunststoffen

Als Projektträger des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) betreut die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) bundesweit mehr als 1.000 Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu nachwachsenden erneuerbaren Ressourcen – darunter auch mehrere Projekte, die sich mit der (Weiter-)Entwicklung von Verpackungsmaterialien aus biobasierten Kunststoffen beschäftigen.

Einen Überblick gibt es unter: https://www.fnr.de/projektfoerderung/ausgewaehlte-projekte

Mehr Information

Source

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), Pressemitteilung, 2025-08-21.

Supplier

Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) (formerly BMEL)
DIN CERTCO Gesellschaft für Konformitätsbewertung
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
GaLaBau Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. BGL
Institut für Kunststofftechnik IKT (Universität Stuttgart)
nova-Institut GmbH
TÜV AUSTRIA Group

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