Tetrachlorethen ist eine farblose, leicht flüchtige und nicht brennbare Flüssigkeit. Dank ihres großen Fettlösevermögens findet sie vor allem in der Textilreinigung sowie der Optik- und Metallindustrie zur Entfettung von Oberflächen Anwendung. Mehr als 100.000 Tonnen fallen Jahr für Jahr weltweit an. Und das ist ein Problem: Denn Tetrachlorethen ist nicht nur krebserregend und ein Umweltgift. Es ist in Anwesenheit von Sauerstoff nicht biologisch abbaubar und reichert sich stattdessen im Boden und Grundwasser an. „Von dort ist der Weg nicht weit in die menschliche Nahrungskette“, sagt Dr. Torsten Schubert von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Daher sei es dringend notwendig, Methoden zu entwickeln, chlorierte Schadstoffe zu entgiften, so der Mikrobiologe weiter.
Beim Abbau chlorierter Kohlenwasserstoffe in der Umwelt könnten Mikroorganismen eine wichtige Rolle spielen. „Es gibt Bakterien, die in Abwesenheit von Sauerstoff Substanzen, wie Tetrachlorethen, entgiften können“, weiß Dr. Schubert. Allerdings werden solche Mikroben bislang nur selten für die Sanierung genutzt. „Sie lassen sich nur schwer aus der Natur isolieren und im Labor kultivieren.“ Außerdem besitzen diese Bakterien häufig mehrere dechlorierende Enzyme, die sogenannten reduktiven Dehalogenasen, mit ganz unterschiedlichen Substratspektren, was die Charakterisierung dieser biologischen Katalysatoren erschwert.
Doch Anita Mac Nelly aus dem Team um Dr. Schubert ist es jetzt gelungen, Bakterien heranzuzüchten, die entsprechende Dehalogenasen in Reinform produzieren können. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Applied und Environmental Microbiology“ schreiben, haben sie das ursprünglich nicht-dechlorierende Bakterium Shimwellia blattae dazu gebracht, nicht nur ein funktionstüchtiges Tetrachlorethen-abbauendes Enzym sondern auch eine spezifische Dehalogenase zum Abbau anderer halogenierter Verbindungen zu produzieren (DOI: 10.1128/AEM.00881-14).
„Ziel der vorliegenden Arbeit war es, zunächst eine einfache und universelle Produktionsplattform zu schaffen, um die Schadstoff-abbauenden Enzyme unabhängig von ihrem Ursprungsorganismus einer Charakterisierung zugänglich zu machen“, erläutert Dr. Schubert. Dazu haben die Jenaer Forscher ein Dehalogenase-Gen, das die Bauanleitung für das gewünschte Enzym enthält, aus dem Mikroorganismus Desulfitobacterium hafniense in das leicht zu kultivierende Bakterium Shimwellia blattae übertragen. Shimwellia blattae ist ein aus dem Darm der Küchenschabe isolierter und vergleichsweise anspruchsloser Mikroorganismus, der sich für die Produktion der dechlorierenden Enzyme bestens eignet, da er das hierfür essentielle Kobalt-haltige Vitamin B12 in ausreichenden Mengen produzieren kann.
In weiterführenden Arbeiten wollen die Mikrobiologen nun die so erhaltenen Enzyme hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Funktion umfassend charakterisieren. „Die Kenntnis des Katalysemechanismus ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir diese Enzyme in absehbarer Zeit für die Sanierung von kontaminierten Grundwässern oder Böden nutzen können“, macht Dr. Schubert deutlich. An diesem langfristigen Ziel arbeiten die Mikrobiologen der Uni Jena u. a. im Rahmen der kürzlich um eine zweite Förderperiode verlängerten DFG-Forschergruppe „Anaerobic Biological Dehalogenation“.
Original-Publikation:
Mac Nelly A et al. Functional heterologous production of reductive dehalogenases from Desulfitobacterium hafniense strains, Applied and Environmental Microbiology 2014, DOI: 10.1128/AEM.00881-14
Weitere Informationen zur Forschergruppe unter
http://www.uni-jena.de/en/FOR1530.html.
Kontakt
Dr. Torsten Schubert
Institut für Mikrobiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Philosophenweg 12
07743 Jena
Tel.: 03641 / 949349
E-Mail: torsten.schubert@uni-jena.de
Author
Dr. Ute Schönfelder (Universität Jena)
Source
Universität Jena, Pressemitteilung, 2014-08-01.
Supplier
Friedrich-Schiller-Universität Jena
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