Kohlenstoff-Kreislauf statt Plastikmüll

Eisen-Elektrokatalyse baut Polystyrol ab und liefert grünen Wasserstoff

Angewandte Chemie © Wiley

Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch so nützlich sie sind, so problematisch sind die Unmengen an Plastikmüll, die auf Deponien und in der Umwelt landen. Ein deutsches Forschungsteam stellt in der Zeitschrift Angewandte Chemie einen neuen Ansatz für das Recycling von Polystyrol-Abfällen vor. Das effiziente elektrochemische Verfahren arbeitet mit einem kostengünstigen Eisenkatalysator, liefert Wasserstoff als Nebenprodukt und könnte über Solarpanele betrieben werden.

Weniger als 10% der weltweit produzierten Kunststoffe werden recycelt. Kunststoffabfälle häufen sich auf Deponien und in Gewässern und bedrohen Tierwelt und Umwelt. Bis 2025 wird diese Kunststoffansammlung voraussichtlich 40 Mrd. Tonnen erreichen. Etwa 33% des weltweit auf Deponien gelagerten Materials besteht aus dem in Verpackungen und im Bauwesen weit verbreiteten Polystyrol (PS), das sogar nur zu 1% recycelt wird. Die weltweite Produktionskapazität von Polystyrol erreichte im Jahr 2022 mehr als 15,4 Mio. Tonnen, Tendenz steigend. Das Recycling von Kunststoffen, insbesondere von Polystyrol, zählt damit zu den größten gesellschaftlichen Herausforderungen. Effektive, kosteneffiziente Recycling-Methoden, bei denen Kunststoff-Abfälle zu wertvollen kleinen Molekülen abgebaut und erneut in chemischen Synthesen eingesetzt werden, wären ein Schritt in Richtung einer nachhaltigen Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft.

Das Team um Lutz Ackermann vom Friedrich-Wöhler-Forschungsinstitut für Nachhaltige Chemie in Göttingen hat jetzt eine elektrokatalytische Methode entwickelt, bei der Polystyrole effizient abgebaut werden. Beim Abbau entsteht ein vergleichsweise hoher Anteil an monomeren Benzoyl-Produkten, die wieder als chemische Ausgangsstoffe verwendet werden können, sowie kurze Polymerketten.

Schlüssel zum Erfolg ist ein leistungsstarker Eisen-basierter Katalysator, ein Eisen-Porphyrin-Komplex, ähnlich dem in unserem Hämoglobin. Der Vorteil gegenüber vielen anderen katalytisch aktiven Metallen: Eisen ist ungiftig, kostengünstig und leicht zu gewinnen. Während der elektrokatalytischen Reaktion wechseln die Eisenverbindungen zyklisch zwischen verschiedenen Oxidationsstufen (IV, III und II). Über eine Reihe von Reaktionsschritten und Zwischenprodukten werden letztlich Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen des Polymerrückgrats gespalten. Als Hauptprodukte entstehen Benzoesäure und Benzaldehyd. Benzoesäure kann als Ausgangsstoff für verschiedene chemische Synthesen dienen, z.B. zur Herstellung von Duft- und Konservierungsstoffen. Wie robust die neuartige Elektrokatalyse ist, konnte am effizienten Abbau realer Plastikabfälle im Gramm-Maßstab demonstriert werden.

Der Polystyrol-Abbau könnte zudem vollständig durch Strom aus kommerziellen Solarpanelen angetrieben werden. Parallel zur Abbau-Reaktion findet eine nützliche Nebenreaktion statt: die Wasserstoffentwicklung. Damit kombiniert das neue elektrokatalytische Verfahren, das sich leicht in den technischen Maßstab skalieren lässt, ein effektives Recycling von Kunststoffabfällen mit einer dezentralen grünen Wasserstoffproduktion.

Originalartikel

Anodisches Recycling von gängigen Polymeren: Die Kombination von Eisen-Elektrokatalyse und skalierbarer Wasserstoffentwicklungsreaktion (Open Access)

Kontakt

Lutz Ackermann, Universität Göttingen (Deutschland)

Über den Autor / die Autorin

Dr. Lutz Ackermann ist ordentlicher Professor an der Georg-August-Universität Göttingen. Die Entwicklung und Untersuchung neuer Konzepte für nachhaltige Katalyse bildet seinen Forschungsschwerpunkt, mit einem aktuellen Fokus auf die Elektrokatalyse. Darüber hinaus ist er Gründer und Direktor des Friedrich-Wöhler-Forschungsinstitut für Nachhaltige Chemie.

Author

Dr. Lutz Ackermann

Source

Wiley, Angewandte Chemie, Pressemitteilung, 2024-11-11.

Supplier

Angewandte Chemie (Wiley)
Friedrich-Wöhler-Forschungsinstitut für Nachhaltige Chemie (Uni Göttingen)
Gesellschaft Deutscher Chemiker e. V. (GDCh)
Universität Göttingen

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