„Haus der Zukunft“ aus Stroh?

Anfällig gegenüber Brand, Feuchte oder Insekten – mit solchen Vorurteilen ist der Baustoff Stroh landläufig belastet. Ein europäisches Umwelt-Demonstrationsvorhaben im Rahmen des EU-Förderprogramms „life“ unter Beteiligung des Landes Niederösterreich und des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, soll mit solchen Vorurteilen aufräumen. Das Impulsprogramm „Nachhaltig Wirtschaften“ mitsamt der Ausschreibung Haus der Zukunft des Bundesministeriums erbrachte das Wahlergebnis „Demonstrationsprojekt S-House“ durch eine internationale Jury.

Dipl. Ing. Hannes Hohensinner, Forscher der Gruppe Angepasste Technologie (GrAT) der TU Wien, die den Stroh als Baustoff testet, ist davon überzeugt: „Wände aus Stroh sind extrem hitzebeständig und schwer entflammbar. Sie erzielen die Brandwiderstandsklasse F90. Durch entsprechende Konstruktionen kann sich keine Feuchte festsetzen, sie sind bei fachgerechtem Einbau formstabil und auch Ungeziefer ist kein Thema.“

Das zweigeschossige Demohaus, das in diesem Sommer auf einer Grundfläche von 200 m2 im österreichischen Böheimkirchen entsteht, erfüllt mit seiner Gebäudehülle als einer Holzständer-Strohballen-Konstruktion den Passivhausstandard (Jahresheizwärmeverbrauch <15kWh/m2 Wohnfläche). Wand-, Boden- und Deckenaufbau haben einen U-Wert von 0,12 W/m2K. Zur Restwärmeabdeckung ist ein stückholzbefeuerter Speicherofen vorgesehen, das Dach ist als Membrankonstruktion konzipiert und bietet damit eine variable, jahreszeitlich angepasste Beschattung. Hierzu weiß Hohensinner: „Die Membrankonstruktion bietet zudem eine materialsparende Regenwasserableitung. Durch den Wegfall von Dachrinnen und Blechabdeckungen entstehen keine Schwermetallprobleme in der Abwasseraufbereitung.“

Auch den Kostenvergleich braucht das Stroh im Hinblick auf herkömmliche Dämmsysteme nicht zu scheuen: „Die Strohwandkonstruktion schneidet im Vergleich zu einer Beton-EPS (Styropor)-Wand in allen Berechnungskriterien bis zum Faktor zehn besser ab“, so Hohensinner unter Verweis auf die an der TU Wien durchgeführten Studien. Die Nachhaltigkeit des preisgünstigen Baustoffs ergibt sich auch aus seinem „Ökologischen Fußabdruck“, der zur Wiederherstellung von verbrauchter Energie bzw. deren Entsorgung nötigen Fläche. Die beträgt bei der Strohwand ledigleich 2.364 (m2a/m2 Wand) gegenüber z.B. dem Naturverbrauch einer Beton-EPS-Wand von 24.915(m2a/m2 Wand).

Obwohl seit 1995 europaweit bereits 400 Gebäude in Strohballenbauweise entstanden sind und innovative österreichische Betriebe schon Fertigteilhauskonzepte für den Strohbau entwickelt und umgesetzt haben, scheinen unflexible Bautechnikverordnungen bzgl. festgelegten Schutzzielen diese Bauweise noch zu behindern. Hohensinner: „Was die technischen Bauvorschriften betrifft, werden Lebenszyklusbetrachtungen für Bauprodukte leider nicht vorgeschrieben, es gibt auch keine allgemein akzeptierte Methodik der Bewertung. Ebenso fehlen baubiologische Kriterien“. Somit bleibt abzuwarten, ob die verantwortlichen Fachleute künftig Auslegungsspielräume zugunsten innovativer Lösungen mit Hilfe von Information und Engagement zu nutzen verstehen.

Source

VDI nachrichten vom 2002-04-26.

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