Franz Alt fordert in Zeven Energiewende – Luttmann skeptisch gegenüber Windkraft

"Anstatt über Problemchen zu streiten, müssen wir das Problem lösen"

Rund 200 Interessierte besuchten die Veranstaltung mit Franz Alt im Ballhaus Meyer in Zeven. Darin warb der 68-jährige frühere Report-Moderator für einen raschen Umbau der Energieversorgung hin zu Windrädern, Wasserkraftwerken, Biogasanlagen und Photovoltaikanlagen.

Für Alt wird das Thema viel zu wenig beachtet. “Das ist die große Existenzfrage der Menschheit. Ohne Energie können wir nicht leben. Aber alle Quellen, die wir heute nutzen, laufen in einigen Jahrzehnten aus”, sagte er.

Mit Geschmacksfragen wie “Passen Windräder in die Landschaft?” oder “Gefallen uns die Maiskulturen rund um Biogasanlagen?” werde man dem Problem überhaupt nicht gerecht. (Maismonokulturen übrigens seien nicht notwendig. Man könne auch zum Bestücken von Biogasanlagen Fruchtfolgen etwa mit Roggen und Sonnenblumen einhalten.)

Solchen in der Öffentlichkeit mit viel Aufregung diskutierten “Problemchen” (zit: Franz Alt) stellte der Journalist die Gefahren der bisherigen Energieversorgung gegenüber: Strahlender Müll, Verwüstung und Versteppung durch den Treibhauseffekt, Endlichkeit der Vorräte (und Krieg um diese).

“Wenn wir alles Öl und Gas verbrennen, steigt die Temperatur um acht Grad. Rotenburg liegt dann in der Wüste.” Die Menschheit verfeuere täglich die Menge, die die Natur in 500.000 Tagen eingelagert habe. Im Unterschied zu den Geschmacksfragen rund um erneuerbare Energien sei von diesen wirklichen Problemen kein einziges lösbar.

Wiederholt geißelte Alt Manager großer Konzerne mit dem Schlagwort von den “Nieten in Nadelstreifen”. Sie würden ihrer Verantwortung in keiner Weise gerecht.

Technisch könne man beispielsweise Autos mit einem Verbrauch von einem oder zwei Litern Sprit herstellen, VW etwa produziere stattdessen jedoch den Phaeton und einen Bugatti mit 1.000 PS, die 16 und sogar 100 Liter auf 100 Kilometer schluckten. Das schade der Umwelt, gehen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei und koste daher auch noch Arbeitsplätze.

Erneuerbare Energien hingegen seien die Wachstumsbranche überhaupt, sagte Alt: “Wovor haben wir eigentlich Angst? Effizienter machen, Häuser isolieren, Autos sparsamer machen, mehr Öffentlicher Nahverkehr – das sind Aufgaben für viele Jahre. Da entstehen Arbeitsplätze.”

Das gelte in Deutschland in besonderen Maße für auch die Windkraft mit allein 70.000 Beschäftigten. Hinsichtlich der Photovoltaik habe das Land seinen Wissensvorsprung leider an Japan verloren. Das dürfe bei Biogasanlagen nicht passieren – gerade jetzt, wo die Amerikaner anfingen, sich für das Thema zu interessieren.

Zu Beginn des Abends hatten der Staatssekretär im Landeslandwirtschaftsministerium, Friedrich-Otto Ripke, und der Erste Kreisrat und CDU-Landratskandidat Hermann Luttmann Statements zum Thema abgegeben. Während Ripke davon sprach, wie große Bedeutung sein Haus aus mehreren Gründen den erneuerbaren Energien beimesse, erregte Luttmann am meisten Aufmerksamkeit mit seiner Zurückhaltung gegenüber der Windkraft.

Im Kreis gebe es 81 Räder und Platz für etwa 60 neue, berichtete er: “Damit halte ich das Potenzial für ausgeschöpft. Wir haben unsere Schuldigkeit getan.” Bürgerinitiativen gegen fast jeden geplanten Windpark zeigten, dass die Bevölkerung diese Technik nicht akzeptiere.

Auf solche Aussagen Luttmanns reagierte Alt in der auf seinen Vortrag folgenden Diskussion sehr scharf. Der Verweis auf Gegenwind aus der Bevölkerung offenbare fehlende Leidenschaft und wenig Führungskraft, warf er Luttmann vor: “Jemand, der Landrat werden will, muss gestalten wollen. Ich erwarte, dass ein Landrat Visionen hat.”

Luttmann erwiderte, er mache erstens Politik für die Bürger, nicht gegen sie. Zweitens entscheide letztlich nicht er, sondern der Kreistag. Drittens stehe er Visionen ähnlich skeptisch gegenüber wie der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt. Wenn er denn schon eine äußern solle, sei es die, Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zu erhalten. “Und das macht die Windenergie nicht.”

Der Favorit auf das Landratsamt begrüßte jedoch den Bau von Holzkraftwerken und Biogasanlagen. Unter Beifall appellierte er an die Menschen in den Dörfern, “gewisse Dinge hinzunehmen.” Außerdem solle jeder überlegen, ob er sein Geld den Ölscheichs oder lieber einem hiesigen Handwerksmeister geben wolle, der das Haus vernünftig dämmt.

Zu der Veranstaltung geladen hatte eine Gruppe aus Windpark-, Biogas- und Solaranlagenbetreibern. Aufgrund der gegenwärtigen politischen Brizanz von Windparks und Biogasanlagen geriet das relativ unstrittige Thema Photovoltaik in der Diskussion allerdings in den Hintergrund.

Der dreistündige Abend in Zeven soll der Auftakt zu einer Reihe gewesen sein, die dem Thema Energiewende mehr Aufmerksamkeit verschafft. Nächster Referent soll im Herbst Professor Norbert Walter sein, Chefvolkswirt der Deutschen Bank.

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Mit freundlicher Genehmigung der Rotenburger Rundschau vom 2006-06-20.

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