Pflanzen tun es seit Jahrmillionen: Bei der Photosynthese wandeln sie mit Hilfe von Lichtenergie der Sonnenstrahlung Kohlendioxid in komplexe Moleküle um, die schließlich als Biomasse zur Verfügung stehen. Gelänge es, auf synthetischem Wege diese Prozesse der Weiterleitung und Speicherung von Sonnenenergie in komplexen Molekülen nachzubilden, würde diese Technologie unter anderem den Aufbau bisher ausschließlich aus Biomasse produzierter Rohstoffe ermöglichen wie z.B. Stärke, Zucker und Methan aus Sonnenlicht und Kohlendioxid. Auch die Reduzierung des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre wäre so auf technischenm Weg möglich.
Bis die künstliche Synthese konkurrenzfähig zur Biomasseproduktion aus Land- und Forstwirtschaft wird, ist es noch ein langer Weg. Immerhin haben Forscher an der Universität Würzburg nun Nanokapseln entwickelt, deren Moleküle Lichtenergie nicht nur absorbieren, sondern auch an andere Moleküle weitergeben. Die Forscher sehen ihre Arbeit als möglichen Baustein für eine künstliche Photosynthesemaschine an, die Sonnenlicht wesentlich effizienter umsetzen würde als Pflanzen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Faszinierend komplex ist die Struktur, die an der Universität Würzburg in den Labors der Organischen Chemie entwickelt wurde: Tausende von gleichartigen Molekülen drängen sich zu einer Kapsel zusammen, die mit einer anderen Sorte von Molekülen gefüllt ist. Nur 20 bis 50 Nanometer beträgt der Durchmesser einer Kapsel – das ist ein Zehntausendstel eines Stecknadelkopfes.
Derart aufwändige Gebilde sind in der Chemie nicht gerade alltäglich. Kein Wunder also, dass die Würzburger Nanokapseln in der November-Ausgabe der Zeitschrift “Nature Chemistry” auf der Titelseite präsentiert werden. Außerdem können sie etwas, das für chemisch synthetisierte Moleküle bislang nicht beschrieben ist.
Eingekapselte Moleküle übertragen Energie
Die Nanokapseln besitzen eine Eigenschaft, die bei der Photosynthese der Pflanzen wichtig ist: Die in der Kapsel liegenden Moleküle absorbieren Lichtenergie und geben einen Teil davon in Form von Fluoreszenzlicht wieder ab. Den anderen Teil aber übertragen sie mittels Energietransfer auf die Kapselmoleküle, die daraufhin ebenfalls Fluoreszenzlicht ausschicken.
Bei der Photosynthese geschieht – vereinfacht gesagt – nichts anderes: Moleküle fangen die Energie des Sonnenlichts ein und übertragen sie in einem komplizierten Prozess auf andere Moleküle, bis die Energie am Ende chemisch gebunden ist: Die Kraft der Sonne steckt dann in wertvollen Kohlenhydraten, aus denen Pflanzen, Tiere und Menschen ihre Lebensenergie schöpfen.
Prinzipiell sollten sich die Nanokapseln daher als Bausteine für eine künstliche Photosynthese-Maschine eignen. “Das Licht würden sie sogar wesentlich effizienter nutzen als Pflanzen, weil ihre synthetischen Doppelschichtmembranen zu hundert Prozent aus photoaktivem Material bestehen”, sagt Professor Frank Würthner.
Wozu künstliche Photosynthese gut ist
Warum die Forschung nach der künstlichen Photosynthese strebt? Pflanzen verbrauchen bei der Photosynthese den “Klimakiller” Kohlendioxid. Angesichts der globalen Erwärmung sehen viele Wissenschaftler eine künstliche Photosynthese als Möglichkeit, um das Treibhausgas Kohlendioxid in der Atmosphäre mengenmäßig zu reduzieren. Außerdem würden bei diesem Prozess wertvolle Rohstoffe entstehen: Zucker, Stärke und das Gas Methan.
Einzigartiges Material für die Kapselhülle
Die Würzburger Nanokapseln bestehen aus einem einzigartigen Material. Entwickelt wurde es im Arbeitskreis von Frank Würthner auf der Basis so genannter amphiphiler Perylenbisimide. Gibt man den als Pulver isolierbaren Grundstoff in Wasser, bilden seine Moleküle dort automatisch so genannte Vesikel, die aber noch nicht beständig sind. Erst durch eine Photovernetzung mit Licht werden sie zu robusten Nanokapseln, die in wässriger Lösung stabil sind – egal welcher pH-Wert dort herrscht.
Bispyrene als Füllung der Kapseln
Die Füllung der Nanokapseln mit weiteren photoaktiven Molekülen ist dem chinesischen Gastwissenschaftler Dr. Xin Zhang gelungen. Als Stipendiat der Humboldt-Stiftung hält er sich derzeit im Arbeitskreis von Professor Würthner auf.
Zhang schleuste Bispyren-Moleküle in die Nanokapseln ein. Ihre Besonderheit: Sie verändern ihre Gestalt in Abhängigkeit von der Umgebung. Bei niedrigem pH-Wert, also in einer sauren Umgebung, nehmen sie eine langgestreckte Form an. Regt man sie mit UV-Licht an, strahlen sie blaues Fluoreszenzlicht aus.
Steigt der pH-Wert, klappen sich die Moleküle zusammen. In dieser Gestalt geben sie grünes Fluoreszenzlicht ab. In diesem Zustand regen die Bispyrene die Kapselhülle energetisch an – und die reagiert darauf mit roter Fluoreszenz.
Blau, grün und rot. Überlagern sich die drei Grundfarben, kommt dabei weiß heraus – wie bei einem Farbfernseher. So ist es auch bei den Nanokapseln: Bei einem pH-Wert von 9, also recht nahe beim Neutralpunkt, strahlen sie weißes Fluoreszenzlicht ab – “ein in der Sensorik bislang einmaliger Effekt, der wegweisend für das Design von Fluoreszenzsonden für die Lebenswissenschaften sein dürfte”, so Professor Würthner.
Nanosonde für pH-Messungen
Die Würzburger Chemiker haben damit eine höchst empfindliche Nanosonde zur Hand: Denn über die Wellenlänge des Fluoreszenzlichts, das die Nanokapseln ausstrahlen, lässt sich der pH-Wert einer wässrigen Lösung mit nanoskaliger Ortsauflösung bestimmen.
Nicht nur für die künstliche Photosynthese kommen die Nanokapseln darum in Betracht, sondern auch für diagnostische Anwendungen: Zum Beispiel könnte man sie mit speziellen Oberflächenstrukturen ausstatten, die gezielt an Tumorzellen andocken und diese dann mittels Fluoreszenz sichtbar machen.
Beide möglichen Anwendungen sind Gegenstand weiterer Forschungsarbeiten am Lehrstuhl von Frank Würthner. Die hier beschriebenen Arbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Weitere Informationen
“Vesicular perylene dye nanocapsules as supramolecular fluorescent pH sensor systems”, Xin Zhang, Stefanie Rehm, Marina M. Safont-Sempere & Frank Würthner, Nature Chemistry 1, 623 – 629 (2009) (Abstract)
Kontakt
Prof. Dr. Frank Würthner
Tel.: 0931-31-853 40
E-Mail: wuerthner@chemie.uni-wuerzburg.de
Source
Informationsdienst Wissenschaft, Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 2009-11-03.
Supplier
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Universität Würzburg
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