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Die hier präsentierten Daten basieren auf aktuellen Markterhebungen, die die „European Industrial Hemp Associaton (EIHA)“ zwischen November 2001 und Mai 2002 durchgeführt hat.
In der Europäischen Union (EU) gibt es derzeit etwa 15 bis 20 Unternehmen, die sich mit der Erstverarbeitung von Hanf beschäftigen. Hinzu kommen in Osteuropa nochmal 5 bis 10 weitere Unternehmen. Während in Osteuropa die traditionelle Verarbeitungslinie mit Wasserröste und Langfaseraufschluss dominiert – hiermit können auch verspinnbare Faserqualitäten produziert werden, wird in der EU ausschließlich mit Feldröste und Gesamtfaserlinie gearbeitet.
Die sieben führenden europäischen Hanf-Erstverarbeiter, die meisten davon EIHA-Mitglieder, bilden die Umfragebasis für die folgenden Daten über Anbau, Produktion und Produktlinien. Die sieben Unternehmen sind Hemcore (UK), HempFlax (NL), Hempron (NL), LCDA (F), AGRO-Dienst (D), BaFa (D) und Vernaro (D); sie haben einen Marktanteil – bezogen auf die in der EU produzierten Fasern – von ca. 72 bis 90% (s.u.) und stellen damit eine gute, repräsentative Basis für Marktaussagen dar.
Anbau & Nachfrage
Im Jahr 2001 hatten die sieben Unternehmen insgesamt eine Hanfanbaufläche von ca. 10.120 ha unter Vertrag. Diese Fläche genügte allerdings nicht, um die Nachfrage nach industriellen Hanffasern zu decken. Die Nachfrage wurde durch die Verarbeitung von Hanfstroh und vorentholzten Fasern aus den Vorjahren gestillt, die aufgrund zu geringer Nachfrage eingelagert worden waren. Das Jahr 2002 starteten alle sieben Unternehmen mit nahezu oder vollständig leeren Lagern.
Diese Situation ist neu, dass die Nachfrage höher ist als der aktuelle Anbau. Grund hierfür sind die zunehmende Etablierung des Hanfes als industrielle Faser und die gleichzeitig sinkenden EU-Beihilfen.
Im Jahr 2002 wollen die sieben Unternehmen deutlich größere Anbauflächen unter Vertrag nehmen und zwar über 14.000 ha (+40%). Die Nachfrage für diese Mengen ist da, fraglich ist nur, ob unter derzeitigen (und künftigen) ökonomischen Bedingungen genügend Landwirte gefunden werden können.
Der Durchschnittsertrag für die Ernte von Hanfstroh lag bei den sieben Unternehmen im Jahr 2001 bei 6,2 t/ha.
Produktion
Die Menge der in der EU produzierten Hanffasern hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen und dürfte für 2001 zwischen 20.000 und 25.000 t pro Jahr liegen (die Weltproduktion wird auf ca. 70.000 t geschätzt). Die sieben befragten Unternehmen haben 2001 zusammen über 18.000 t Hanffasern produziert, das sind etwa 72 bis 90% der EU-Gesamtproduktion. Als wertschöpfende Beiprodukte wurden von den sieben Unternehmen über 30.000 Schäben und über 4.300 t Hanfsamen produziert.
Märkte & Produktlinien
Fasern
Die wichtigsten Absatzgebiete für die in der EU produzierten Hanffasern sind:
Spezialzellstoff für Zigarettenpapiere und technische Anwendungen
Mit einem Marktanteil von ca. 70 bis 80% am Hanffasermarkt ist dieses traditionelle Einsatzgebiet immer noch die mit Abstand wichtigste Produktlinie. In absoluten Zahlen ist der Bedarf konstant bis leicht fallend, der relative Anteil ist deutlich zurückgehend (vor 5 Jahren lag der Anteil noch über 95%). Ohne entscheidende technischen Weiterentwicklungen und/oder die Erschließung neuer Anwendungsfelder ist in diesem Bereich wenig Dynamik zu erwarten. Nur ein kleiner Anteil der Hanffasern für den Zellstoffbereich wird frei gehandelt, der größte Teil fließt in integrierte Prozessketten vom Rohstoff bis zum Endprodukt. Wichtigstes Land für die Nutzung von Hanffasern im Spezialzellstoffbereich ist Frankreich.
Automobilindustrie
Der Marktanteil am Hanffasermarkt lag 2001 bei beachtlichen 17% – gegenüber unter 1% im Jahr 1996. Auch in absoluten Zahlen wächst die automobile Nachfrage nach Hanffasern seit 1996 mit hohen Zuwachsraten (z.B. von 1999 auf 2000 um 90%). Der Einsatz von thermo- und duroplastischen Naturfaser-Formpressteilen z.B. als Türinnenverkleidungen oder Kofferraumauskleidungen ist heute bei einer Vielzahl von Automobilen Standard – pro Fahrzeug kommen typischerweise 5 bis 10 kg Naturfasern zum Einsatz. In der europäischen Automobilindustrie wurden im Jahr 2000 ca. 28.300 t Naturfasern eingesetzt, davon 20.000 t Flachs, 3.700 t Jute und Kenaf sowie 3.500 t Hanf (1).
Infolge neuer Produktionsverfahren – insbesondere Naturfaser-PP-Spritzguss – wird sich der Wachstumskurs in den nächsten Jahren weiter fortsetzen. Auch die EU-Altautorichtlinie wird vermutlich keinen negativen Effekt auf den Einsatz von Naturfasern ausüben, wie zunächst befürchtet wurde. So zeigt sich z.B. die deutsche Umsetzung der Richtlinie als vollkommen neutral in Bezug auf den Einsatz von Naturfaserbauteilen, unabhängig davon, ob die Teile später verbrannt oder stofflich recycelt werden.
Baubereich (Dämm-Matten)
Hier werden etwa 6,5% der EU-Hanffasern abgesetzt. Die Marktteilnehmer erwarten auch – in absoluten und relativen Zahlen – einen weiteren Zuwachs. In einigen Ländern beginnt gerade erst die Produktion entsprechender Dämmstoffe. Der Absatz hängt auch von der allgemeinen Situation der Bauindustrie ab, die sich in den EU-Ländern sehr verschieden entwickelt. Während die deutsche Bauindustrie in einer schweren Krise steckt, werden in Großbritannien zunehmende Bauaktivitäten beobachtet. In Deutschland werden im Jahr 2002 und 2003 neue Impulse durch ein Markteinführungsprogramm für Naturfaserdämmstoffe erwartet.
Sonstige Anwendungen
Ca. 1% – hierzu zählen Agro- und Geotextilien, Matratzen, Schuheinlagen, Fasern für den Tier-Nestbau und vieles mehr. Traditionelle Einsatzgebieten wie Bindfäden und Schnüre oder auch textile Garne und Gewebe spielen in der EU keinerlei Rolle.
Schäben
Parallel zur Faserproduktion fallen die Hanfschäben an. Je nach Restschäbengehalt der produzierten Fasern liegt das Verhältnis Schäben zu Fasern zwischen 1,5 und über 2. In der EU wurden insgesamt ca. 40.000 t Hanfschäben produziert. Die wichtigsten Produktlinien sind:
Tiereinstreu
Ca. 92% der Hanfschäben gehen in den Bereich Tiereinstreu, davon wiederum über 95% in den Bereich Pferdeeinstreu und nur knapp 5% werden bei anderen Tieren eingesetzt, vor allem für Geflügel. Zunehmen wird in den nächsten Jahren der Sektor Kleintierstreu, der erst in diesem Jahr professionell angegangen wird. Hanfschäben verkaufen sich in diesem Bereich vor allem aufgrund ihren guten Eigenschaften: Gute Saugfähigkeit, einfache Handhabung und schnelle Kompostierung nach Gebrauch. Insgesamt ist in keinem dieser Märkte eine Marktsättigung in Sicht.
Baubereich
Knapp 8% der Hanfschäben gehen in den Baubereich, als Schüttdämmung, Schäbenplatten, Zuschlag zu Ziegeln oder Lehmbau. Auch hier gibt es noch reichlich unerschlossene Potenziale.
Hanfsamen
Vorwiegend in den südlicheren Teilen der EU werden auf Hanfsamen gewonnen, insgesamt etwa 5.000 bis 7.000 t/Jahr. Die wichtigsten Absatzmärkte sind:
Tierfutter
Etwa 95% der Hanfsamen werden im Tierfutterbereich abgesetzt und hier vor allem als Vogelfutter, in geringen Mengen auch im Angelbereich zum Anfüttern. Die Attraktivität dieses Bereiches hängt stark vom Dollar-Kurs und der damit zusammenhängenden Konkurrenzsituation mit chinesischen Importen ab.
Lebensmittel
Die restlichen 5% gehen in den Lebensmittelbereich als volles Korn, als geschälte Hanfsamen und als Hanföl. Ein noch sehr kleiner Nischenmarkt mit überdurchschnittlichem Wachstum.
Quelle:
(1) Karus, M, Kaup, M, 2002. Natural Fibres in the European Automotive Industry. Journal of Industrial Hemp 7(1): 117-129.
Für Rückfragen:
Michael Karus
E-Mail: michael.karus@nova-institut.de
Internet:
EIHA: www.eiha.org
nova-Institut: www.nova-institut.de / Nachrichten-Portal: www.nachwachsende-rohstoffe.info
Source
EIHA, 28.05.2002.
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