Die Wald-Null

Ein Märchen von Klimaneutralität

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Copyright P. Ludwig-Sidow

Das Beelzebubprinzip

Die deutsche Politik tendiert dazu, mit ihren Bemühungen um ein Abbremsen des Klimawandels, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Eine Folge dieses Prinzips zeigt sich nicht nur in Norddeutschland: Durch das EEG führte die Förderung von Biogasanlagen in wenigen Jahren zu von Maisäckern dominierten Landschaften, mit Folgen wie hohem Pestizideinsatz und Überdüngung sowie starker Erosion während fast der Hälfte des Jahres. Die Vermaisung der Landschaft ging auf Kosten von Grünland und artenreichen Blühwiesen, auf Kosten von Artenvielfalt auf den Äckern und auf Kosten von sauberem Grundwasser. Der klimaschutzwirksame Output zeigte sich infolge von Lachgasemissionen durch Düngung und Methanschlupf aus den Anlagen geringer als erhofft.

Alles für den großen Ofen

Europa macht sich gerade bereit für den nächsten Beelzebub, ebenfalls für regenerative Energiegewinnung, wobei die Regeneration nicht ein Jahr braucht, wie beim Mais, sondern rund 100 Jahre. Das Holz der Wälder soll in den Ofen wandern und da die Bäume beim Wachsen CO2 gebunden haben, welches das Holz beim Verbrennen wieder freisetzt, gilt diese Form der Energiegerzeugung als klimaneutral.

Gemeint ist hier aber nicht der kleine Kaminofen, der sporadisch mit Holz aus dem nahgelegenen Wald für einen gemütlichen Abend entzündet wird, sondern Holzverbrennung im großem Stil, in Kraftwerken und oft mit Holz aus Übersee. In Großbritannien wurden schon Kohlekraftwerke auf Holz umgerüstet. In Deutschland wird dies im Rahmen des Kohleausstiegs ernsthaft diskutiert. Der Vorteil für den Klimaschutz, jedenfalls auf dem Papier: CO2-Emissionen durch holzbefeuerte Kraftwerke sollen rechnerisch Null betragen.

Die Mär vom Restholz

Wegen der notwendigen Homogenität und Trockenheit des Brennstoff eignen sich (mit Energieaufwand produzierte) Holzpellets am besten. Dem Bürger wird vorgegaukelt, das dafür nur Abfälle verarbeitet werden, Durchforstungsholz sowie Äste und Kronen als Holzernteabfall. Letzteres fällt in FSC-zertifizierten Wäldern schon mal gar nicht als Abfall an, da es für die Bodengesundheit im Wald verbleiben muss. Auch sonst reicht die Menge an Restholz aus der Forstwirtschaft und Holzverarbeitungsbranchen nicht mehr aus, weit mehr als nur Holzabfall wird zu Pellets und sogar Importe sind notwendig. In den USA werden ganze Baumstämme zu Pellets zermahlen. Die EU führt heutzutage ein Drittel ihres Pelletbedarfs ein.

Rund 25 Millionen Tonnen beträgt die globale Pelletproduktion jährlich, 10 Millionen davon werden laut dem Netzwerk der Europäischen Akademien der Wissenschaften EASAC über weite Strecken verschifft werden, aus Nordamerika nach Großbritannien und anderen europäischen Staaten.

Ende der Neunziger wurde die “Energie aus lebendigen Wäldern” noch euphorisch von großen Umweltorganisationen beworben (DUH, BUND), inzwischen sind diese deutlich kleinlauter geworden, nicht nur wegen der Mär vom ausschließlichen Restholz, sondern auch wegen der Emissionen von Feinstaub und anderen gesundheitsschädlichen Stoffen.

Finde den Fehler

Die UN und die EU propagieren die Strom- und Wärmeerzeugung mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz als klimaneutral. Ihre zero-emission-strategy hat nur einen Haken, wie die EASAC schreibt: Das Kohlendioxid, das die Bäume in 50 bis 150 Jahren ihres Wachstums aufgenommen haben, wird jetzt und heute in die Atmosphäre geblasen. Neugepflanzte Bäume brauchen bis morgen und übermorgen, nämlich ein paar Jahrzehnte, bis sie überhaupt erkleckliche CO2-Mengen wieder binden.

Die von UN und EU propagierte Strategie, Holzvorräte der Wälder für “Bioenergie” zu nutzen, führt nicht nur zu einer anfänglichen Erhöhung der Emissionen. “Viel mehr” warnt die EASAC, “ist der Zeitraum hoher CO2-Level bis zur Wirksamkeit von neugepflanzten Bäumen nicht kompatibel mit der Dringlichkeit der Emissionssenkungen wie sie im Pariser Klimaabkommen niedergelegt wurden.”

Die EASAC hält es sogar für wahrscheinlich, dass der Wechsel von Kohle zu Holz unterm Strich die Treibhausgasemissionen erhöht. Die Länder aber können sich diesen Brennstoffwechsel als Emissionsminderungsmaßnahme anrechnen lassen.

Mehr Schaden als Nutzen

Die Teller-versus-Tank-Debatte wurde in Deutschland bereits im Zusammenhang mit Biogasanlagen und Rapsanbau und Palmölimporten diskutiert, global folgt nun die Teller-versus-Kraftwerk-Debatte.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, WBGU, erkennt in seinem im November 2020 in Entwurfsfassung erschienenen Hauptgutachten, dass “diese Biomassenutzung” in Konkurrenz steht “zur Ernährungssicherung sowie zum Biodiversitätsschutz”. Er fordert stattdessen “die Priorisierung von Ressourcen erhaltenden, langfristig Kohlenstoff speichernden stofflichen Anwendungen”. Auch seien vorrangig andere Strategien nötig, vor allem die Senkung der Nachfrage nach Energie durch Steigerung von Energieeffizienz und “Änderung des Mobilitätsverhaltens”. Als “Mehrgewinnstrategie” bezeichnet der WBGU “nachhaltiges Bauen mit Holz”, das über Biomassenutzungskaskaden am Ende auch noch Energie liefern kann.

 

Quellen und zum Weiterlesen

Norton, M. et al. (EASAC): “Serious mismatches continue between science and policy in forest bioenergy” https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/gcbb.12643

https://easac.eu/media-room/press-releases/details/emissions-trading-system-stop-perverse-climate-impact-of-biomass-by-radically-reforming-co2-accounting-rules/

 

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Zum 24.11.2020 ruft die BBIWS anlässlich des “International Day of Action” BürgerInnen und WaldschützerInnnen auf, sich gegen die Verbrennung von Holz aus Wäldern für Energiegewinnung zu wenden und die EU-weite Petition dagegen zu unterzeichnen!

Source

BBIWS, Pressemitteilung, 2020-11-20.

Supplier

Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Bundesbürgerinitiative Waldschutz BBIWS
Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)
European Academies’ Science Advisory Council (EASAC)
European Union
United Nations (UN)
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)

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