Der Leinenmarkt in Deutschland – eine einfache Abschätzung

Immer wieder wird aus Gesprächen und Veröffentlichungen deutlich, dass die Auffassungen über die aktuelle wirtschaftliche Bedeutung von Flachs und Leinen bzw. deren Potenzial außerordentlich weit auseinander gehen und häufig eher irrationalen Glaubenssätzen denn fundierten Erhebungen gleichen.

Ein Grund dafür ist der von seinen Strukturen, Rythmen und Produktgruppen außerordentlich komplizierte Marktaufbau von Flachs bzw. Leinen sowie die, sofern überhaupt vorhanden, sehr heterogenen statistischen Daten und deren national sehr individuelle Kategorisierung. Hinzu kommen mengenmäßige jährliche Schwankungen im Leinenverbrauch, die leicht bei +/- 50% liegen können. Zudem befinden sich aufgrund der langen Vorlaufzeiten große Mengen an Leinenvorprodukten – oft von keiner gemeinsamen Statistik erfassbar – in den Lägern der Produzenten.

Es gibt nun eine Reihe sehr aufwändiger Rechnungen, um die globalen Warenströme in ihrer stufenweisen Wertsteigerung und zeitlichen Abfolge abzubilden und zu bewerten. Um sich jedoch lediglich ein Bild von den Dimensionen des inländischen Leinenmarktes zu machen, reicht eine einfache Abschätzung auf Basis des jährlichen Textilverbrauchs sicherlich aus:

Unter den Naturfasern nimmt Flachs in den letzten Jahren mit Werten von etwa 0,3 Mio t bis 0,5 Mio t Jahresproduktion (für textile Zwecke) innerhalb der Naturfasern (ca. 26 Mio t) nach Baumwolle und Wolle die mengenmäßig drittwichtigste Stellung – weit vor Seide oder Hanf – ein. Daraus ergibt sich ein Leinenanteil an allen textilen Fasern von etwa 0,8%.

Unterstellt man, dass die rohstoffspezifische Zusammensetzung der Welttextilproduktion hierzulande aliquot abgebildet würde, so ergibt sich bei einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von mehr als 20 kg p.a. ein entsprechender Flachsverbrauch von etwa 160 g p.a. (entsprechend 1 Leinengeschirrtuch oder einem 1/2 Leinenhemd oder 1/3 Leinenkleid je Kopf) mithin etwa 13.000 t p.a. In Jahren mit starkem Leinenangebot kann dieser Wert leicht auf 20.000 t p.a. steigen.

Da Leinenartikel immer hochpreisiger sind als Baumwoll- oder Synthetikprodukte, muss auf der Umsatzseite ein Faktor eingeführt werden, der diesen Preisunterschied berücksichtigt: kumuliert man diese “Premiumzuschläge” über die verschiedenen Produktionsstufen, so erhält man selbst bei sehr konservativer Betrachtung einen relativen Mehrpreis von 80% bis 100% im Vergleich zu funktional gleichen, hinsichtlich Zusammensetzung jedoch alternativen Produkten.

Unterstellt man, dass einschließlich staatlichem bzw. öffentlichen Verbrauch etwa 70 Mrd. Euro p.a. für Textilien in jedweder Form ausgegeben werden, so würde allein bei einer aliquoten Berücksichtigung von Leinen (d.h. 0,8% der Gesamtmenge) ein inländischer Verkaufswert von 560 Mio Euro resultieren. Nimmt man den höheren Preis je Gewichtseinheit hinzu, so kommt man zu einem Verkaufswert von etwa 1 Mrd. Euro im Jahr. Dies entspricht etwa dem Zweifachen des inländischen Biodieselumsatzes oder dem Wert von mehr als 1 Mio. ha Weizen; durchaus also sowohl gesamtwirtschaftlich als auch landwirtschaftlich/industriell interessante Dimensionen.

Allerdings wird von diesem gewaltigen Umsatz nur ein Bruchteil von im Inland versteuernden Unternehmen generiert. Wesentlich sind hier der Handel sowie die passive Lohnveredelung. Aufgrund der Auslagerung des Großteils textiler Aktivitäten in Niedriglohnländer tragen inländische Spinnereien, Webereien oder Färberei nur in geringem Umfang zu dem Umsatz bei.

Die inländische Rohstoffproduktion liegt gerade mal bei 1-2% der verkauften Menge. Dies hat zwar auch mit dem hohen Kostenniveau in Deutschland zu tun, ist aber besonders den ungünstigen Erntebedingungen hierzulande geschuldet. Die westeuropäischen Nachbarn Belgien und Frankreich dominieren bei zumindest vergleichbaren Kosten den Weltmarkt absolut hinsichtlich Qualitätsflachs und liefern rein zahlenmäßig mehr als die Hälfte des deutschen Leinenverbrauchs in Gestalt der Rohstoffe an die Produktionsvorstufen in alle Welt.

Dies entspricht einer Anbaufläche von etwa 10.000 ha bis 20.000 ha und einer nachgeschalteten Erstaufbereitungsstufe mit einem Umsatz von etwa 30 bis 60 Mio €. Grundsätzlich ist die Qualität des Aufwuchses in Deutschland von Boden und Klima bedingt absolute Weltspitze, es hapert lediglich an der Ernte – zumindest beim gegenwärtig praktizierten Tauröstverfahren – irgendwie schade.

Source

www.flachs.de vom 2005-03-01.

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