CO2 mit Strom bin­den: Ein Mi­kro­ben-En­zym in­spi­riert die Elek­tro­che­mie

For­schen­de iso­lie­ren ein mi­kro­bi­el­les En­zym und span­nen es auf eine Elek­tro­de, wo es ef­fi­zi­ent und uni­di­rek­tio­nal Koh­len­di­oxid in Amei­sen­säu­re um­wan­delt

Die Erderwärmung wird getrieben durch den fortwährenden menschengemachten Ausstoß von Treibhausgasen. Viele Forschende beschäftigen sich daher damit, wie aus den Treibhausgasen nützliche Produkte werden können. Kohlendioxid (CO2) etwa sammelt sich in der Atmosphäre an und ist schwer umzuwandeln, da es chemisch sehr stabil ist. Einige Mikroben schaffen es dennoch, das CO2 mit Hilfe hocheffizienter Enzyme einzufangen. Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen haben zusammen mit den Universitäten Genf und Radboud eines dieser Enzyme isoliert. Als sie das Enzym auf einer Elektrode elektronisch aufspannten, beobachteten sie die äußerst effiziente Umwandlung von CO2 in Ameisensäure (Formiat). Die Entdeckung ist wichtig für die Entwicklung neuer Systeme zur CO2-Bindung, da sie erstaunlich effizient und kaum umkehrbar ist. Die Ergebnisse erscheinen jetzt in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“.

Auf der Su­che nach Mi­kro­or­ga­nis­men, die ef­fi­zi­ent CO2 bin­den

„Die von den Mi­kro­or­ga­nis­men ver­wen­de­ten En­zy­me er­mög­li­chen sehr spe­zi­fi­sche und schnel­le Re­ak­tio­nen und sind da­her eine fan­tas­ti­sche Spiel­wie­se für For­schen­de“, sagt Tris­tan Wag­ner, Lei­ter der Max-Planck-Forschungsgruppe Mikrobielle Metabolismen am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie (MPIMM).

Ei­ni­ge die­ser En­zy­me bin­den CO2 auf be­son­ders in­ter­es­san­te Art: Sie wan­deln es in Amei­sen­säu­re um, eine sta­bi­le und un­ge­fähr­li­che Ver­bin­dung, die be­nutzt wer­den kann, um En­er­gie zu spei­chern oder Mo­le­kü­le für In­dus­trie und Phar­ma­zie her­zu­stel­len. Ein Bei­spiel da­für ist die Me­than pro­du­zie­ren­de Mi­kro­be Methermicoccus shengliensis, die in ei­nem Ölfeld ent­deckt wur­de und bei 50 °C wächst. Ju­lia Kurth und Cor­ne­lia Wel­te an der Rad­boud-Uni­ver­si­tät in den Nie­der­lan­den ha­ben die­se Mi­kro­be kul­ti­viert und un­ter­sucht. Am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie ha­ben Oli­vier Le­mai­re, Mé­lis­sa Bel­ham­ri und Tris­tan Wag­ner die Mi­kro­be ge­nau ana­ly­siert, um ihr CO2-bin­den­des En­zym zu fin­den und zu mes­sen, wie schnell und ef­fi­zi­ent sie CO2 um­wan­deln kann.

CO2-Um­wand­lung mit gro­ßem Po­ten­zi­al 

Die Max-Planck-For­schen­den un­ter­nah­men die schwie­ri­ge Auf­ga­be, das mi­kro­bi­el­le En­zym zu iso­lie­ren. „Wir wuss­ten, dass sol­che En­zy­me sau­er­stoff­emp­find­lich sind. Des­halb muss­ten wir, um es von an­de­ren Pro­te­inen zu tren­nen, un­ter ei­ner sau­er­stoff­frei­en Hau­be ohne Um­ge­bungs­luft ar­bei­ten – ziem­lich kom­pli­ziert, aber es ist uns ge­lun­gen“, so Le­mai­re.

Nach der Iso­lie­rung ging es an die Cha­rak­te­ri­sie­rung der Ei­gen­schaf­ten des En­zyms. Da­bei zeig­te sich, dass es CO2 ef­fi­zi­ent in Amei­sen­säu­re um­wan­delt, die um­ge­kehr­te Re­ak­ti­on aber nur sehr lang­sam und mit ge­rin­ger Aus­beu­te durch­führt.

„Ähn­li­che En­zy­me aus der Fa­mi­lie der Amei­sen­säu­re-De­hy­dro­ge­na­sen sind da­für be­kannt, dass sie in bei­de Rich­tun­gen ar­bei­ten. Wir ha­ben nun ge­zeigt, dass das En­zym von Methermicoccus shengliensisna­he­zu uni­di­rek­tio­nal ist und die Amei­sen­säu­re nicht ef­fi­zi­ent in CO2 zu­rück­ver­wan­delt wer­den kann“, be­rich­tet Bel­ham­ri. „Die­ses Phä­no­men, das nur auf­tritt, wenn kein Sau­er­stoff vor­han­den ist, hat uns ziem­lich be­geis­tert“, fügt sie hin­zu. „Dass die bei der CO2-Fi­xie­rung ent­ste­hen­de Amei­sen­säu­re nicht zu­rück­ver­wan­delt wer­den kann und sich da­her an­rei­chert, ist äu­ßerst in­ter­es­sant für ein mög­li­ches CO2-Ab­schei­dungs-Sys­tem, vor al­lem, wenn wir es auf ei­ner Elek­tro­de auf­span­nen könn­ten“, be­tont Wag­ner.

Der Vor­teil da­bei ist: Wenn das En­zym an eine Elek­tro­de ge­bun­den ist, wird die zum Ein­fan­gen des CO2 nö­ti­ge „En­er­gie“ di­rekt von der Elek­tro­de ge­lie­fert, ohne Strom­ver­lus­te oder den Be­darf an teu­ren oder gif­ti­gen che­mi­schen Ver­bin­dun­gen als Re­lais. Die en­zym­ge­bun­de­nen Elek­tro­den sind also sehr ef­fi­zi­en­te und at­trak­ti­ve Sys­te­me, um Gase um­zu­wan­deln. Wag­ner und sein Team schick­ten das ge­rei­nig­te En­zym da­her an die Uni­ver­si­tät Genf, um ein elek­tro­den­ba­sier­tes CO2-Ab­schei­dungs­sys­tem zu ent­wi­ckeln.

Ga­sum­wand­lung mit Strom

Sel­mi­han Sa­hin und Ross Mil­ton von der Uni­ver­si­tät Genf sind Spe­zia­lis­ten auf dem Ge­biet der Elek­tro­che­mie. Sie nut­zen Elek­tro­den, die mit elek­tri­schem Strom ver­bun­den sind, um che­mi­sche Re­ak­tio­nen durch­zu­füh­ren. Die elek­tro­den­ge­stütz­te Ge­win­nung von Amei­sen­säu­re aus CO2 be­nutzt oft um­welt­schäd­li­che und sel­te­ne Me­tal­le. Die­se Me­tal­le woll­ten sie durch das En­zym er­set­zen, das Wag­ner und sei­ne Grup­pe am MPIMM ent­deckt und ge­won­nen hat­ten. Oft ist es ein auf­wän­di­ges Ver­fah­ren, En­zy­me an Elek­tro­den zu bin­den. Das En­zym aus Wag­ners For­schungs­grup­pe je­doch hat spe­zi­fi­sche Ei­gen­schaf­ten, die den Vor­gang er­leich­tern könn­ten. Tat­säch­lich ge­lang es den For­schen­den aus der Schweiz, das En­zym auf ei­ner Gra­phi­t­e­lek­tro­de zu be­fes­ti­gen, wo es die Ga­sum­wand­lung durch­führ­te. Die ge­mes­se­nen Um­satz­ra­ten wa­ren mit de­nen ver­gleich­bar, die mit klas­si­schen Amei­sen­säu­re-De­hy­dro­ge­na­sen er­zielt wer­den. „Die Stär­ke die­ses an die Elek­tro­de ge­kop­pel­ten bio­lo­gi­schen Sys­tems liegt dar­in, wie ef­fi­zi­ent es die Elek­tro­nen von der Elek­tri­zi­tät auf die CO2-Um­wand­lung über­trägt“, be­tont Le­mai­re. Sa­hin und Mil­ton konn­ten auch be­stä­ti­gen, dass das Sys­tem die um­ge­kehr­te Re­ak­ti­on kaum durch­führt, wie zu­vor im Re­agenz­glas be­ob­ach­tet. Die mo­di­fi­zier­te Elek­tro­de wan­del­te also das Treib­haus­gas lau­fend in Amei­sen­säu­re um, ohne, dass nach­weis­ba­re Ne­ben­pro­duk­te ent­stan­den oder elek­tri­scher Strom ver­lo­ren­ging.

Schematische Darstellung des Gasumwandlungsprozesses
Der Prozess der Gasumwandlung durch eine enzymatische Reaktion auf Elektrodenbasis. Das aus der Mikrobe gewonnene Enzym, gebunden an eine Graphitelektrode, kann das Treibhausgas CO2 in Ameisensäure umwandeln; ein Molekül, das als sicherer Energiespeicher oder zur chemischen Synthese verwendet werden kann. Die beiden Moleküle sind als Kugeln und Stäbchen dargestellt (Kohlenstoffatome grau, Sauerstoffatome rot). Die Struktur des Proteins aus dem Methanogen Methanothermobacter wolfeii ist als hellblaue Fläche dargestellt. Die von der Elektrode benötigte Energie kann aus erneuerbaren Energiequellen stammen. © O. Lemaire, M. Belhamri und T. Wagner/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Auf neu­en We­gen der Nut­zung von CO2 aus der At­mo­sphä­re

Die ge­mein­sa­me For­schungs­ar­beit stellt der Wis­sen­schaft ein neu­es mo­le­ku­la­res Werk­zeug zur Ver­fü­gung: ein En­zym, das CO2 sehr ef­fi­zi­ent durch Über­tra­gung von Elek­tri­zi­tät um­wan­delt. Der Strom für das elek­tro­den­ba­sier­te Sys­tem könn­te aus er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en kom­men. Aus dem CO2 ent­steht Amei­sen­säu­re – ein Mo­le­kül, das di­rekt oder zur En­er­gie­spei­che­rung ge­nutzt wer­den kann.

„Vor uns hat noch nie­mand ver­sucht, ein En­zym von ei­ner sol­chen me­tha­no­ge­nen Mi­kro­be für eine elek­tro­den­ba­sier­te Ga­sum­wand­lung zu nut­zen“, sagt Tris­tan Wag­ner. „Da­bei sind Me­tha­no­ge­ne von Na­tur aus her­vor­ra­gen­de Ga­sum­wand­ler“.

So leis­tungs­fä­hig sie aber auch sein könn­ten – um En­zy­me im gro­ßen Maß­stab für tech­ni­sche Pro­zes­se ein­zu­set­zen, muss auch die En­zym­pro­duk­ti­on im ent­spre­chen­den Maß­stab statt­fin­den, was er­heb­li­che In­ves­ti­tio­nen er­for­dert. Ob­wohl die ent­deck­te Stra­te­gie also theo­re­tisch die CO2-Um­wand­lung deut­lich ver­bes­sern könn­te, sind vor ih­rer An­wen­dung noch wei­te­re um­fas­sen­de For­schun­gen zum En­zym­me­cha­nis­mus er­for­der­lich. Des­we­gen ma­chen sich die For­schen­den nun dar­an, die mo­le­ku­la­ren Ge­heim­nis­se der Re­ak­ti­on gründ­lich zu ent­schlüs­seln.

Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung

Sel­mi­han Sa­hin*, Oli­vier N. Le­mai­re*, Mé­lis­sa Bel­ham­ri, Ju­lia M. Kurth, Cor­ne­lia U. Wel­te, Tris­tan Wag­ner, Ross D. Mil­ton (2023): Bio­elec­tro­ca­ta­ly­tic CO2 Re­duc­tion by Mo-De­pen­dent For­myl­me­tha­n­o­fu­ran De­hy­dro­ge­na­se. Angew. Chem. Int. Ed. (15 Sept 2023), e202311981.

DOI: https://doi.org/10.1002/anie.202311981

*Bei­de Au­to­ren ha­ben gleich­wer­tig bei­ge­tra­gen

Source

Max-Planck-Insitut, Pressemitteilung, 2023-09-28.

Supplier

Angewandte Chemie (Journal)
Max Planck Institute for Marine Microbiology
Max Planck Society
Radboud University, Nijmegen (NL)
University of Geneva

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