Erst vor wenigen Monaten hatte der Chemieriese BASF SE angekündigt, das Hauptquartier für seine Pflanzenbiotechnologiesparte in die USA zu verlegen. Neue gentechnisch veränderte (gv-)Pflanzensorten sollen nur noch für wachstumsstarke Märkte wie Nord- und Südamerika und Asien entwickelt werden. Die bestehenden Projekte in Europa werden jedoch weiterverfolgt. Anfang April hat BASF angekündigt, mehrere noch im Zulassungsverfahren befindliche gv-Kartoffelsorten in Deutschland anpflanzen zu wollen. So soll die Leistungsfähigkeit der Knollen getestet und neues Saatgut gewonnen werden.
Da Kartoffeln nur begrenzt lagerfähig sind, werden sie in der Regel jedes Jahr im Feld vermehrt. BASF will in diesem Jahr drei verschiedene gv-Sorten in Deutschland, den Niederlanden und Schweden ausbringen. Die Knollen sollen so nicht nur vermehrt werden, gleichzeitig will der weltgrößte Chemiekonzern die Leistungsfähigkeit der Kartoffelsorten unter verschiedenen Umweltbedingungen testen.
Die Feldversuche werden in Deutschland im Bundesland Sachsen-Anhalt, in Schweden in den Provinzen Skåne und Halland sowie in den Niederlanden in den Provinzen Gelderland, Drenthe und Noord-Brabant durchgeführt werden. Insgesamt werden gv-Kartoffeln auf weniger als einem Hektar angebaut.
Industriekartoffeln produzieren reines Amylopektin
Die Sorten, die angebaut werden sollen, heißen Modena, Amadea und Fortuna. Sie befinden sich alle noch im EU-Zulassungsverfahren (mehr…). Bei den ersten beiden Kartoffeltypen handelt es sich um Stärkekartoffeln, die in ihren Eigenschaften mit der bereits zugelassenen Sorte Amphora (mehr…) vergleichbar sind. Während in konventionellen Kartoffelsorten pflanzliche Stärke in zwei Formen – Amylopektin und Amylose – vorkommt, produzieren Modena und Amadea nur Amylopektinstärke. Die Kleistereigenschaften dieser Substanz werden in vielen Produkten genutzt, vor allem in der Papier- und Textilstoffindustrie sowie bei der Kleb- und Bausstoffherstellung.
Während es sich bei Modena und Amadea um reine Industriekartoffeln handelt, ist die Sorte Fortuna auch zum menschlichen Verzehr bestimmt. Sie entstand ursprünglich aus einer besonders bei Herstellern von Pommes Frites beliebten Knollensorte. Sie soll gegen Kraut- und Knollenfäule resistent sein, einer Kartoffelerkrankung, die vom pilzartigen Erreger Phytophthora infestans verursacht wird (mehr…). In den 1840er Jahren führte dieser pilzartige Erreger zur Großen Hungersnot in Irland, die eine Auwanderungswelle in die USA auslöste. Heute wird er mit Fungiziden bekämpft, Ernteverluste lassen sich manchmal trotzdem nicht vermeiden. Weil die Resistenz nur auf wenigen Genen basiert, warnen Kritiker davor, dass die durch gentechnische Veränderungen vermittelte Resistenz in kurzer Zeit durchbrochen werden könnte.
Kommerzieller Anbau nicht geplant
Ob die Sorten in Europa nach einer möglichen Zulassung auch kommerziell angebaut werden, erscheint angesichts der Skepsis der Verbraucher fraglich. Auch BASF gibt sich zurückhaltend: Man sehe “mittelfristig keine Chancen für den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Europa”, heißt es vonseiten der BASF-Tochter BASF Plant Science in Limburgerhof. Erst zu Anfang des Jahres hat BASF angekündigt, sich auf die Hauptmärkte in Nord- und Südamerika sowie den Wachstumsmarkt Asien zu konzentrieren (mehr…). Die Entwicklung von einzig auf den europäischen Markt ausgerichteten Produkten wurde gestoppt. Der Hauptsitz und die Geschäftsleitung von BASF Plant Science werden vom Agrarzentrum der BASF in Limburgerhof zum Research Triangle Park, Raleigh, North Carolina, verlagert. Nur die laufenden Zulassungs- und Sortenschutzverfahren will der Konzern noch abschließen, betonte Geschäftsführer Peter Eckes: “Um uns alle Optionen für unsere Kartoffelsorten offen zu halten, werden wir, wie angekündigt, die bereits angelaufenen Zulassungsprozesse fortführen und dazu Pflanzgut weiter vermehren.” Bei der Durchführung der Feldversuche bemühe sich das Unternehmen um eine enge Absprache mit den zuständigen Behörden, versicherte Eckes weiter.
Source
Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2012-4-12.
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