Der Energiebedarf der Menschheit steigt. Die Ressourcen der klassischen Energieträger sind dagegen endlich. Wasser und Sonnenlicht wiederum gibt es fast unbegrenzt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung in Stuttgart und von der Ludwig-Maximilians-Universität München haben nun ein Material geschaffen, das mittels Licht aus Wasser den vielseitigen Energieträger Wasserstoff erzeugt. Dieser polymere Photokatalysator ist chemisch robust. Zudem lässt sich die Rate der Wasserstoffproduktion über kleine strukturelle Veränderungen am Katalysator regulieren.
Es ist gar nicht so einfach, einen sogenannten Photokatalysator für die Spaltung von Wasser zu finden. Eine Substanz also, welche die Energie im Sonnenlicht direkt nutzt, um die Wasserstoff-Sauerstoff-Bindungen im Wasser aufzubrechen. In Labors gelingt dies bereits mit manchen Substanzen. Aber die Ausbeute ist häufig gering und der Weg in die industrielle Alltagspraxis noch fern.
Die Gruppe Nanochemie von Bettina Lotsch am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart und an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München hat nun – gemeinsam mit Theoretikern um Christian Ochsenfeld an der LMU – einen weiteren Ansatz entwickelt. Die Forscher haben dabei sogenannte kovalente organische Netzwerkverbindungen (COFs, covalent organic frameworks) entworfen, die in der Lage sind, Wasserstoff zu produzieren.
COFs sind kristalline, hochmolekulare Polymere, bei denen bestimmte Ausgangsmoleküle zu sehr regelmäßigen, zwei- oder auch dreidimensionalen Strukturen vernetzt werden. Weil solche Netzwerkpolymere neben geeigneten optischen und elektronischen Eigenschaften eine relativ große Oberfläche aufweisen, zeigen sie auch gute katalytische Eigenschaften.
Wichtiger noch ist aber die molekulare Präzision, mit der solche Photokatalysatoren entworfen und optimiert werden können: Damit bilden COFs eine nützliche Plattform, um Materialeigenschaften gezielt variieren und damit den Prozess der Photokatalyse rational steuern zu können.
Elektronen auf Wanderschaft
Photokatalysatoren müssen ganz grundsätzlich über Elektronen verfügen, die sich mit sichtbarem Licht so anregen lassen, dass sie sich relativ frei bewegen und auf ein fremdes Atom oder Molekül übergehen können. Letztlich sind es diese Elektronen, die auf die Protonen im Wassermolekül übertragen werden – und somit elementaren Wasserstoff entstehen lassen.
Die in Stuttgart entwickelten COFs erfüllen all dies. Allerdings mussten die Forscher ihrem pulverförmigen Polymer noch Platin-Nanopartikel und einen sogenannten Elektronen-Donor zusetzen. „Die Platinteilchen wirken als Mikroelektroden, an denen die Elektronen vom COF zum Wasserstoff übergehen“, sagt Vijay Vyas, Wissenschaftler in der Nanochemiegruppe am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung.
„Und der Elektronen-Donor ist nötig, um die im COF zurückbleibende positive Ladung wieder auszugleichen“, so Vyas. Die Forscher gaben alle Zutaten in eine wässrige Lösung. Bestrahlten sie die Mixtur mit sichtbarem Licht, setzte die Bildung von Wasserstoff ein.
Für die Wissenschaftler war nicht nur erfreulich, dass die so geformten COFs in der Lage waren, Wasserstoff zu produzieren. Darüber hinaus gelang es ihnen, die Rate, mit der das Material Wasserstoff erzeugt, durch Einstellung der molekularen Geometrie der Netzwerke zu regulieren.
Zu diesem Zweck variierten sie gezielt das Ausgangsmaterial – eine Triphenylaryl-Verbindung –, aus dem sie den Katalysator herstellten. „Eine besonders hohe Wasserstoffausbeute erzielten wir, als die Ausgangssubstanz annähernd planar war“, sagt Vyas. Der Befund deckte sich auch mit parallel durchgeführten theoretischen Berechnungen. „Dies ist das erste Mal überhaupt, dass wir die photokatalytischen Eigenschaften eines COFs auf molekularer Ebene präzise einstellen können“, so der Max-Planck-Wissenschaftler.
In Zukunft wollen die Forscher diese Erkenntnisse nutzen, um ihre Substanzen gezielt weiterzuentwickeln. Ein Ziel ist dabei, den Mechanismus der Photokatalyse in diesen Systemen genauer zu verstehen und das komplexe Zusammenspiel der Einzelkomponenten weiter zu verfeinern.
Viele Einsatzmöglichkeiten
Trotz der ersten Erfolge sind auch diese Materialien noch weit davon entfernt, für eine industrielle Wasserstoffgewinnung aus Wasser und Sonnenlicht infrage zu kommen. Dafür müsste sich das Material beispielsweise kostengünstig in größeren Mengen herstellen lassen und über lange Zeiträume stabil Wasserstoff produzieren. Auch wenn diese und weitere Fragen noch offen sind, kann sich Vijay Vyas auf jeden Fall vorstellen, dass die Menschheit eines Tages in der Lage sein wird, Wasserstoff auf sehr effiziente Art einfach aus Licht, Wasser und einem Kohlenstoff-basierten Material herzustellen.
Dieser umweltfreundlich gewonnene Wasserstoff wäre dann für vieles einsetzbar. Schon heute gibt es Szenarien, ihn als Kraftstoff für Fahrzeuge oder für die Herstellung weiterer Energieträger zu nutzen. In Brennstoffzellen wiederum ließe sich mit Wasserstoff (und Sauerstoff) Strom erzeugen. Und auch der Wasserstoff, der derzeit in der Industrie für die Herstellung vieler wichtiger Chemikalien eingesetzt wird, ließe sich dann umweltfreundlich bereitstellen. Derzeit wird er vor allem aus fossilen Rohstoffen gewonnen.
Source
Max-Planck-Gesellschaft, Oressemitteilung, 2015-09-30.
Supplier
Ludwig-Maximilians-Universität München
Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
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